Roy Jacobsen: „Das Dorf der Wunder“

Timo ist ein einfacher Holzfäller. Er lebte schon immer in Suomussalmi, einem kleinen finnischen Dorf unweit der russischen Grenze. Er kann sich nichts anderes vorstellen, als hier zu leben. Das ändert sich auch nicht, als im Winterkrieg 1939 die finnischen Truppen das Dorf evakuieren wollen.

Timo bleibt. Er widersetzt sich den Aufforderungen der Truppen und auch den guten Ratschlägen seiner Nachbarn, denn er weiß, dass er in Suomussalmi bleiben muss. Es ist Krieg, und entweder wird er überleben oder sterben. Wenn er auch woanders überleben oder sterben wird, dann ebenso gut hier zu Hause in seinem Dorf.

Kurz nach der Flucht aller Einwohner kehrt totale Stille ein. Timo hat das Dorf ganz allein für sich. Außer ihm ist nur noch ein alter Kater geblieben. Doch die Ruhe hält nicht lange an. Schon kommen die russischen Einheiten, brennen das Dorf bis auf wenige Häuser nieder und bleiben.

In der arktischen Kälte des finnischen Winters brauchen die sowjetischen Truppen Brennholz. Wer könnte ihnen da besser helfen als der daheim gebliebene Timo?! Man hält ihn zwar für einen schrägen Vogel, aber seine Kenntnisse sind für die Soldaten überlebenswichtig. Mit einer Handvoll anderer Holzfäller, Zwangsarbeitern, wird er täglich aus dem belagerten Suomussalmi in den Wald gehen und unter Lebensgefahr Holz schlagen.

Mit der Zeit freunden sich die Holzfäller an, darunter zwei Juden, ein Lehrer und ein junger Russe namens Mikael. Eines Nachts gelingt ihnen die Flucht aus der von finnischen Truppen belagerten Stadt. Nach der Vernichtung der sowjetischen Einheiten kehrt Timo mit seinen Holzfällern als finnischer Gefangener in das Dorf zurück. Allein die Tatsache, dass er noch lebt, obwohl er in sowjetischer Gefangenschaft war, macht ihn verdächtig.

Timo ist weiterhin in Suomussalmi und macht, was er immer getan hat: Holz hacken. Als nach einer Weile die russischen Holzfäller unter seine Regie gestellt werden, gelingt ihnen erneut der Ausbruch. Die schaffen es bis zu Timos Elternhof in Lonkkaniemi, wo sie sich für eine Zeit einrichten. Der Winter geht vorbei, und auch die Zeit des Zusammenlebens geht vorüber. Sie können nicht mehr zusammen bleiben und trennen sich. Jeder geht in seine Richtung in eine ungewisse Zukunft.

Timo kehrt zurück nach Suomussalmi und nimmt dort wieder seine alte Stellung als Holzfäller ein. Bald schon endet der Krieg, doch Timos Seele findet keine Ruhe mehr. Erst in der Nacht auf den 26. März 1967 geschieht etwas, und der krieg ist auch für Timo zu Ende.

Roy Jacobsens „Das Dorf der Wunder“ ist der erste Roman des finnischen Bestseller-Autoren, der in deutscher Übersetzung erscheint. In seiner bewusst lakonischen und einfachen Sprache erzählt dieser Roman die Geschichte eines einfachen Mannes, der den Krieg als ein Phänomen erlebt, das ihn nicht interessiert. Es ist der Krieg der Anderen, der auch ihn betrifft, weil er sein Leben bedroht. Aber der Protagonist spricht von sich selbst als einem einfachen Mann, der nur ein Holzfäller ist. Was soll schon sein. Er bleibt an seinem Heimatort, ob er nun deswegen umkommt oder nicht. Dabei ist er felsenfest davon überzeugt, dass Wunder geschehen werden und er am Leben bleibt. Er muss doch auf die Häuser in dem verlassenen Dorf aufpassen, alles sauber halten.

Dem Autor ist mit „Das Dorf der Wunder“ ein kleines Meisterwerk gelungen. Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive erzählt und berührt auch dadurch den Leser unmittelbar. Aber vor allem die gekonnte Erzählweise Jacobsens und die Lakonie der Hauptfigur machen „Das Dorf der Wunder“ zu einem bemerkenswerten und empfehlenswerten Buch. Mit seinen knapp 240 Seiten ist „Das Dorf der Wunder“ in gewohnt erstklassiger Qualität mit festem Einband und Lesebändchen im Berliner Osburg-Verlag erschienen.

Autor: Roy Jacobsen
Titel: „Das Dorf der Wunder“
Sondereinband: 237 Seiten
Verlag: Osburg
ISBN-10: 394073134X
ISBN-13: 978-3940731340

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