Ein ernstes Thema. Die Kunst des Sterbens will schon zu Lebzeiten eingeübt werden. Mit diesem alle Menschen früher oder später betreffenden Thema hat man sich spätestens seit der Antike beschäftigt.
Die christliche Religion stellt den Tod als Erlösungsprozess und Hinführung zum ewigen Leben in den Mittelpunkt ihres Glaubenssystems. Und auch die monastische Tradition sieht in der täglichen Beschäftigung mit dem eigenen Tod und einer bewussten Einübung des Sterbens keine düstere und weltabgewandte Lebensphilosophie, sondern vielmehr eine Bewusstmachung der eigenen Vergänglichkeit und eine daraus resultierende Aufwertung der verbleibenden Zeit.
Bernhard Sill ist Katholik und Professor für Moraltheologie in Bayern. Allein diese kurze Charakterisierung lässt vor dem geistigen Auge des Rezensenten, einem protestantischen Preußen, das eher dunkle Bild eines moralisierenden erz-katholischen Dogmatikers entstehen. Doch diese auf Vorurteilen basierende Erwartungshaltung wird schon nach wenigen Absätzen der Lektüre widerlegt.
Dieses schmale und nur 100 Seiten umfassende Bändchen hat es in sich. In klaren Sätzen und knappen Abschnitten werden die verschiedenen Blickrichtungen auf das Leben, den Tod und den dazwischen liegenden Sterbeprozess dargestellt. Der Autor nimmt dabei kein Blatt vor den Mund, kommt gleich zur Sache und setzt den Leser mitten in die Problematik: Was ist das Leben und wozu lebe ich? Ist mein Sterben ein Teil des Lebens und/oder die Vorbereitung auf meine Reise durch den Tod hindurch zum ewigen Leben oder der ewigen Abtrennung von Gott?
Für jeden Menschen stellt sich nicht erst im Sterben die Frage, welchen Weg er beschreitet – Himmel oder Hölle. Der Autor beschreibt den Sterbeprozess als aktive und endgültige Lebensphase mit eindrücklichen Worten. Sterben sollte auch immer ein Teil der eigenen (christlichen) Lebenspraxis sein.
Für den Autor und Katholiken Bernhard Sill ist diese Einbindung des eigenen Sterbens in die Lebensführung selbstverständlich und ein Teil der christlichen Lebenskunst. Zusammen mit Peter Bubmann hat er folgerichtig auch ein Buch mit dem gleichnamigen Titel („Christliche Lebenskunst“) herausgegeben, das bei kulturbuchtipps besprochen wurde.
Der Autor meint es besonders gut mit dem Leser, und deshalb neigt er dazu jeden Sachverhalt in einer Wiederholungsschleife am Ende des Satzes gleich noch mal zu erklären. Das liest sich zuweilen etwas träge und der Stil wirkt stotternd. Das Büchlein ist ja vielleicht auch speziell für eine ältere Leserschaft gedacht, und dann macht solch ein verlangsamtes Tempo durchaus Sinn. Allerdings ist „Die Kunst des Sterbens“ auch ein Buch für junge Leser; denn an das eigene Ende und an den Sinn des eigenen Daseins kann man nie zu früh denken.
„Media vita in morte sumus“ (Mitten im Leben bin ich vom Tod umgeben) ist der Beginn einer Antiphon aus dem Frankreich des 8. Jahrhunderts. Die salomonische Erkenntnis, dass „alles eitel“ und alles menschliche Streben letztlich vergeblich ist, ist kein Grund, depressiv zu werden und die Hände in den Schoß zu legen. Vielmehr kann die Erkenntnis der eigenen Endlichkeit und Vergeblichkeit menschlichen Strebens die Sicht auf den eigenen Lebensweg erst entspannen und uns die schönen Seiten des Lebens genießen lassen.
Bernhard Sill hat ein anregendes Buch mit vielen Facetten geschrieben. Zitate und Thesen von Rilke und Brecht, Teresa von Avila und Simone de Beauvoir, Biermann, Claudius, Dostojewski und natürlich auch die christlichen und jüdischen Texte der Bibel und der Kirchenväter finden in diesem Text Platz.
Wer sich mit dem eigenen Sterben oder mit der Begleitung von Sterbenden beschäftigt, findet in Bernhard Sills „Die Kunst des Sterbens“ eine gute Einführung und viele Anstöße zum Weiter-Denken.
Autor: Bernhard Sill
Ttel: „Die Kunst des Sterbens“
Broschiert: 102 Seiten
Verlag: Topos Plus
ISBN-10: 3836706911
ISBN-13: 978-3836706919