Paula ist die älteste Tochter des Journalisten-Ehepaares Jana und Jens Steingäßer, die als „professionelle Klimaaktivisten“ (wenn es so etwas gibt) die Welt bereisen, immer der Klimakrise hinterher, ihre Erlebnisse und Begegnungen aufschreiben und dann öffentlichkeitswirksam in verschiedenen Medien veröffentlichen.
Der Outdoor-Spezialist Globetrotter hat bereits 2019 eine Art „Homestory“ – in diesem Fall war es eher eine Travel Story – der Familie Steingäßer in seinem Hochglanz-Magazin veröffentlicht:
Als Eltern von vier Kindern zeigen sie, wie man trotz des Klimawandels (oder vielleicht gerade deswegen?) auch mit kleinen Kindern um und durch die Welt reisen kann. Die lieben Kleinen bekommen auf diese Weise nicht nur früh eine Menge von der Welt zu sehen, sondern werden auch schon früh mit den existenziellen Bedrohungen unseres Planeten durch die destruktivste Spezies von allen – durch den Menschen – konfrontiert.
Paula Steingäßer hat über diese Erfahrungen und ihre Folgen jetzt ein sehr persönliches Buch veröffentlicht. Die Verzweiflung des Mädchens, das in Grönland seine ersten traumatischen Erfahrungen mit realen Auswirkungen der von Menschen gemachten Klimakatastrophe machen und sehen muss, wie ihren Freunden und ihren Familien die Lebensgrundlagen entzogen werden, wenn Eisberge schmelzen, die Eismeere sich erwärmen und mit dem Ökosystem auch das soziale Gefüge in den betroffenen Weltregionen erodiert – diese Verzweiflung wird von der Autorin in berührender Offenheit geschildert.
Zunächst nimmt man als erwachsener Leser dieses Buch vielleicht sogar ein wenig unwillig in die Hand, weil man sich fragt, warum man es lesen sollte. Natürlich ist die Klimakrise real, und sie betrifft alle Menschen! Es gibt einen solchen Berg an Aufgaben und Dingen, die zu tun sind, um die Katastrophe wenigstens in ihren Ausmaßen ein wenig abzumildern. Natürlich müssen wir alle unsere Gewohnheiten ändern und uns anpassen an die zunehmende Erwärmung und die künftigen klimatischen Ausnahmesituationen, wie Überschwemmungen, Tornados und Hitzewellen, die auch jetzt schon in unserer Region spürbar sind (was allerdings immer noch nur ein schwacher Vorgeschmack jener Umweltkatastrophen ist, die bereits in anderen Erdteilen die Lebensgrundlage der Menschen vernichten).
Warum also sollte man dieses Buch lesen, wenn man sowieso Bescheid weiß, dass die Lage ernst und was zu tun ist?! – Paula Steingäßers Buch ist ein mutiges Buch; denn sie schenkt uns, den Lesern, großes Vertrauen. Anders als die vielen Regalmeter an wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Sachbüchern über die globale Klimakrise und die Schuld des Menschen am Klimawandel und dem Artensterben, mit ihren Schilderungen der vergangenen und anstehenden Katastrophen, mit ihren zahlreichen Illustrationen, alarmierenden Tabellen und verstörenden Abbildungen, verzichtet die Autorin gänzlich auf jene Strategie des hoch erhobenen Zeigefingers. Vielmehr zeigt sie sich in ihrer ganzen Verletzlichkeit und Hilflosigkeit angesichts dieses globalen Untergangsszenarios.
Paula erzählt von sich und ihren Ängsten, ihren psychischen Problemen, die durch die frühe Konfrontation mit der Unausweichlichkeit der Klimakrise in ihr ausgelöst und verstärkt wurden. Während sie mit ihren Geschwistern und ihren Eltern nach Grönland reist, befindet sie sich gerade mitten in der Pubertät, und ihr Körper beginnt sich zu verändern. Es ist jene Phase, die die meisten von uns als eine Zeit erinnern, in der unser Verhältnis zum eigenen Körper und seinen Veränderungen mehr Fragen aufwirft, als einem lieb ist. Ohnehin fühlt man sich orientierungslos und sucht nach seinem Platz in der Welt, stellt sich die „ganz großen Fragen“. Wird man dann, wie Paula, gleichzeitig hautnah mit den radikalen Veränderungen von Umwelt und Klima konfrontiert, sind belastende Wechselwirkungen nicht auszuschließen. Junge Menschen denken oft radikaler und suchen nach sinnstiftenden Antworten.
Es ist eben diese bedingungslose Offenheit des jugendlichen Fragens und Infragestellens, es ist dieser konsequent persönliche Blick auf diese verwundete Erde und auf das Schicksal der Menschen, die auf ihr leben wollen, diese ganz persönliche Suche nach einem Ausweg, nach einem sinnvollen Handeln in einer scheinbar aussichtslosen und endlichen Zukunft: all dies macht dieses Buch besonders und einzigartig. – Paula Steingäßer spricht zu uns wie zu einer intimen Freundin; sie offenbart ihre geheimen Ängste und tut dies mit schonungsloser Offenheit. Ihr Blick auf diese bedrohte Welt ist subjektiv und radikal. Sie fragt nach der Zukunft, ihrer eigenen und die aller anderen Menschen in ihrem Alter.
Wer dieses Buch gelesen hat, wird nicht nur die Jugend und ihre Sorgen und Ängste besser verstehen. Wer dieses Buch gelesen hat, wird sich auch selbst die Frage stellen (müssen), wie diese Klimakrisen abgewendet oder abgemildert werden können, wie das eigene Leben geändert werden muss, damit wir unseren eigenen Anteil am Klimawandel möglichst gering halten.
Gute Literatur bringt uns zum Nachdenken, und ihre Lektüre verändert uns. Dasselbe gilt für gute Sachbücher: Sie ermöglichen uns, einen anderen Blickwinkel auf die Dinge einzunehmen. Und im besten Fall sind sie in der Lage, unser Verhalten zu ändern. – Paula Steingäßers Buch ist solch ein gutes Buch, und es lohnt sich, dieses Buch zu lesen!
Autor: Paula Steingäßer
Titel: „Und was ist mit unserer Zukunft? – Aufwachsen mit der Klimakrise“
Herausgeber: S. FISCHER
Broschiert: 160 Seiten
ISBN-10: 3103976402
ISBN-13: 978-3103976403