Claus Leggewie, Harald Welzer: „Das Ende der Welt, wie wir sie kannten“

Claus Leggewie, Harald Welzer: "Das Ende der Welt, wie wir sie kannten"Die Welt wird nie wieder so sein, wie wir sie kannten. Das dachten viele, als im Sommer 2008 das geschah, was viele für unmöglich gehalten hatten. Die amerikanische Subprime-Blase platzte, Lehman Brothers und andere Bankhäuser gingen in Konkurs und lösten einen weltweiten Strudel an den Finanzmärkten aus, die mit ihren Einbrüchen viele Volkswirtschaften und tausende von Unternehmen an den Rand des Ruins brachten.

Über ein Jahr später haben wir immer noch mit den Folgen dieser Rezession zu kämpfen. Nur langsam erholen sich die Volkswirtschaften wieder, doch die Welt wird nie mehr so sein wie zuvor.

Davon sind auch die beiden Autoren des Buches „Das Ende der Welt, wie wir sie kannten“ – Claus Leggewie und Harald Welzer – überzeugt. Und sie gehen noch einen Schritt weiter. Sie behaupten in ihrem Buch, dass die Zeit nun endlich reif ist für eine Neuorientierung in der Wirtschaft und der Gesellschaft. Das alte System des uneingeschränkten Wachstums und der unerschütterliche Glaube an den Fetisch Wachstum hat zu einer gefährlichen Schieflage des gesamten kapitalistischen Systems geführt. Dies zeige besonders die aktuelle Krise; aber auch andere Entwicklungen, die seit Jahren weltweit sich andeuten, ließen keine andere Interpretation zu, als dass das gesamte System auf einen Total-Crash zulaufe und nur durch einen beherzten Druck auf den „Reset“-Knopf gerettet werden könne.

An die Stelle von Wachstum müssen die neuen Ziele Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit gesetzt werden. Dies klingt bekannt, und in vielen Unternehmen wird diese neue Philosophie gern nachgeplappert, ohne hinterfragt zu werden. Dienstbeflissen und eifrig schreibt man sich gern die neuen Ziele auf die Fahne; dann sind sie erst einmal vom Tisch und stören nicht mehr den unternehmerischen Alltag.

Doch so einfach ist es nicht mehr. Die Lage ist ernst, und die Anzeichen häufen sich, dass unsere Gesellschaft mehr und mehr dabei ist, auseinander zu brechen. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer, und die von einer prosperierenden Entwicklung ihrer eigenen Verhältnisse abgekoppelten Schichten der Gesellschaft könnten demnächst hochgehen wie ein nachlässig gelagerter Sprengstoff.

Was ist also zu tun? – Claus Leggewie, Professor für Politikwissenschaft und Publizist, und sein Co-Autor, der Sozialpsychologe Harald Welzer, sind sich einig, dass unsere Demokratie endlich den Weg aus der „Leitkultur der Verschwendung“ finden muss. Die Politik muss ihre Führungsrolle übernehmen und der Staat verantwortlich für seine Bürger handeln, um ein neue Verhaltensmuster auf breiter Basis in der Gesellschaft zu etablieren. Das Umdenken und die Neuorientierung der Werte sind dann jedoch letztlich Aufgabe jedes Einzelnen. Die Veränderung beginnt in den Köpfen.

Wer genauer hinsieht, weiß, dass wir schon seit vielen Jahren auf dem Weg sind. Bio-Produkte, Mülltrennung, die Förderung von nachhaltigen Energien und nachwachsenden Rohstoffen – all dies sind bereits Beispiele für ein auf Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit ausgerichtetes Konsumverhalten.

Der noch wenig ins Bewusstsein der Gesellschaft vorgedrungene Wert ist der Gedanke der Gerechtigkeit. Es geht hierbei um Gerechtigkeit im Außen- wie im Innen-Verhältnis. Ein Konsumverhalten, das die Ausbeutung der Rohstoffe und Menschen der Dritten Welt als inakzeptabel verurteilt, kann sich an neuen Werten orientieren und statt auf Ausbeutung auf Kooperation setzen. FairTrade-Kampagnen und neue Formen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sowohl auf staatlicher als auch auf Produzenten-Ebene machen dies möglich.

Aber der Begriff der Gerechtigkeit betrifft auch die soziale Verträglichkeit des Konsums innerhalb unserer Gesellschaft. Wie müssen auch hier mittelfristig den Ansatz unseres Wirtschaftens überdenken und von einer rein preisorientierten Steuerung der Märkte und der Bevorteilung der Reicheren hin zu einem solidarischen Wirtschaften nach dem Prinzip des rationalen Teilens und der Unterstützung der unteren Schichten kommen.

Das klingt alles ziemlich revolutionär und kompliziert. Die gute Nachricht ist jedoch, dass es uns in Deutschland noch nie so gut ging wie heute. Der deutsche Lebensstandard ist nach wie vor extrem hoch, auch wenn wir zunehmend mit Bevölkerungsschichten leben, die in einer früher nicht vorstellbaren Armut leben müssen. Die wirtschaftliche Lage ist – allen Unkenrufen zum Trotz – nicht dramatisch, und die Volkswirtschaft ist wieder auf dem Weg der Besserung.

Wir haben also allen Grund optimistisch in die Zukunft zu blicken. Und noch viel mehr sollten wir den Mut aufbringen, uns den Tatsachen zu stellen. Was wir in unserem System derzeit erleben, ist kein letztes Aufbäumen des Kapitalismus, wie es vielleicht einige Marxisten gern sähen, aber es ist die Fortsetzung einer Strategie, die ihre Zeit gehabt hat und sich nun überlebt hat, wie die Wirtschafts- und Finanzkrise gezeigt hat.

Die Krise war der Warnschuss. Sie zeigte, dass es eben nicht immer so weiter gehen kann. Die immer nur auf Wachstum ausgerichtete Strategie ist eine Strategie von gestern. Wir brauchen aber neue Modelle und Ideen für das Morgen. Die beiden Autoren geben in ihrem Buch eine Menge guter Anstöße zum Umdenken.

Leggewie und Welzer sind fest davon überzeugt: Wenn die westliche Wirtschaftsform ihren Siegeszug in der Welt beendet hat, kollabiert sie, denn die globalisierte Welt ist eine Insel. Der Klimawandel, die schwindenden Ressourcen und das Bevölkerungswachstum zeigen die Endlichkeit unserer Kultur und unseres Lebensstils an.

Sind die Demokratien des Westens in der Lage, sich so zu modernisieren, dass sie zukunftsfähig werden? Ist es möglich, das erreichte Niveau dafür zu nutzen, eine Form des Wirtschaftens und Lebens zu entwickeln, die nicht auf Wachstum sondern auf Gerechtigkeit und Lebensqualität setzt? – Die Antworten auf diese Fragen werden über unsere Zukunft entscheiden und die Kultur unserer westlichen Welt entweder neu erfinden oder sie langfristig ihrer eigenen Zerstörung preisgeben.

 

Autor: Claus Leggewie, Harald Welzer
Titel: „Das Ende der Welt, wie wir sie kannten“
Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
Verlag: Fischer (S.), Frankfurt
ISBN-10: 3100433114
ISBN-13: 978-3100433114

 

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