Es ist schon erstaunlich, dass es bei Hans Fallada auch heute noch und immer wieder neue Entdeckungen gibt. So auch diesmal: Der vorliegende, recht umfangreiche Band (immerhin 384 Seiten!) vereint Anekdoten, Berichte, Erzählungen und Reden Falladas von den 1920er Jahren bis zu seinem Tod 1947, die „zum Teil wenig bekannt oder noch gänzlich unveröffentlicht“ sind.
Wie bei Fallada (und im Grunde ja bei den meisten Schriftstellern) üblich, schreibt er in erster Linie über sich selbst, egal wie weit das Sujet des fertigen Textes vom Leben des Autors entfernt sein mag. Doch in diesem Sammelband kommen wir dem Menschen und Autor Fallada (alias Rudolf Ditzen) besonders nah.
Falladas Verbindung zum Reclam-Verlag beginnt schon in seiner Kindheit. Er legte sich unter der Matratze eine kleine „Privatbibliothek“ an mit schmalen Reclam-Bändchen aus Vaters Bücherschrank, las als Teenager nächtelang besonders ausländische Literatur — Flaubert, Gautier, Daudet, Defoe, Swift und Dickens, Lawrence Sterne und Goldsmith. In der Schule wirkte er am nächsten Tag oft verträumt und abgelenkt, war einfach müde durch die nächtlichen Lektüren.
Fallada hat sein Leben lang für und mit Büchern gelebt, und davon gibt er auch Auskunft in zahlreichen autobiografischen Texten. Viele Beispiele finden sich in diesem Reclam-Band. Überhaupt geben die vielen Texte des vorliegenden Sammelbandes einen guten Einblick in die Ausbildung von Falladas Schreibkonzept, welches immer selbst Erlebtes mit Fiktion verknüpft. Falladas Selbstaussagen, seine autobiografischen Erinnerungen und seine Werkstattberichte fügen sich in diesem Reclam-Band zu einem Ganzen zusammen und lassen unschwer erkennen, warum Hans Fallada zurecht als eine der bedeutendsten deutschen Erzähler des 20. Jahrhunderts gelten darf.
Besondere Erwähnung soll hier auch das ausführliche und sehr lesenswerte Nachwort des Herausgebers Carsten Gansel finden. Es verdient die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Leser, denn Gansels Essay bildet sozusagen die Klammer, durch welche die ausgewählten Texte zusammengehalten werden. Wer Hans Fallada, sein Leben und sein Werk noch nicht aus nächster Nähe kennt, bekommt hier eine wundervoll aufschlussreiche und dichte Beschreibung in die Hände, welche den Zugang zu den vorliegenden Texten erleichtert und Perspektiven auf dahinter liegende und verborgene Bedeutungsebenen öffnet.
Fazit: Eine schöne Auswahl an abwechslungsreichen Texten Falladas, die viel Lust auf eine nähere Beschäftigung und weitergehende Lektüre macht!
Autor: Hans Fallada
Titel: „Warnung vor Büchern — Erzählungen und Berichte“
Herausgeber: Reclam Verlag
Taschenbuch: 384 Seiten
ISBN-10: 3150140811
ISBN-13: 978-3150140819