Maxim Biller: „Der gebrauchte Jude – Selbstporträt“

Maxim Biller ist der gebrauchte Jude. Wir brauchen ihn. Wir, die Nachgeborenen und die Davongekommenen. Maxim Biller spaltet die Leserschaft. Die einen hängen an seinen Lippen und lieben seinen scharfen und auf Wahrhaftigkeit abzielenden Ton. Die anderen fürchten ihn aus demselben Grund oder halten ihn für einen ungehobelten und sowohl die anderen als auch sich selbst verachtenden Charakter.

In seinem neuen Buch „Der gebrauchte Jude“ gewährt Biller einen autobiographischen Einblick in sein Leben. Er wurde in Prag als Jude und Sohn russischer Kommunisten geboren, kam 1970 nach Deutschland und lebte stets als Außenseiter zwischen den deutschen Kindern, denen zu jüdisch, und den Juden, denen er zu unorthodox war. Ein Leben zwischen den Stühlen. Ein Leben wie im luftleeren Raum und ohne festen Boden unter den Füssen.

Biller ist ein Polarisierer, Polemiker und oft auch ein Spiegelvorhalter. Dass er dies schon immer war und das unwillkürliche Einnehmen einer Protesthaltung zu seinem Naturell gehört, erfahren wir aus seinem Selbstporträt, dem Lebensbericht eines „gebrauchten Juden“. Zumindest wenn wir seinen eigenen Aussagen Glauben schenken wollen. Aber es gibt keinen Anlass zu einer misstrauenden Lektüre; denn allzu freimütig erzählt Maxim Biller von seinem beruflichen Werdegang als Kolumnenschreiber der „100 Zeilen Hass“ im Tempo-Magazin und seinem Aufenthalt in der Redaktion der Hamburger Zeit nach dem Abschluss seiner Ausbildung an der Münchner Journalistenschule.

Immer auf der Suche nach der richtige Geschichte und der zündenden Idee für einen Roman, damit der große Traum vom Leben als Schriftsteller Wirklichkeit wird. Aber halt! – Biller träumt nicht davon, Schriftsteller zu sein; er schreibt einfach, weil er seinen Figuren eine Plattform geben muss, auf der sie sich ausdrücken und auf diese Weise lebendig werden können.

Die Figuren seiner Geschichten sind seine Leute und Menschen, die auch er zu Genüge kennt: Juden in Deutschland, assimiliert und angepasst, im unwirklichen Niemandsland der eigenen Identitätslosigkeit schwebend zwischen einer aufgezwungenen Vergangenheit und einer ungewissen Zukunft.

Maxim Biller liest selbst nach eigenen Angaben fast ausschließlich jüdische Autoren. Allen voran Philip Roth, der auch als schreibendes Vorbild fungierte, aber auch Saul Bellow, Norman Mailer und Mordecai Richler, nach dessen Romanen Biller regelrecht süchtig war, wie er schreibt. – So wurden seine schriftstellerischen Ambitionen schon früh geweckt, doch zunächst wurde Maxim Biller Journalist.

„Der gebrauchte Jude“ ist ein schonungslos offenes Buch. Es ist das Bekenntnis zu einem Leben im offenen Widerstand, ein Leben trotz aller Anfechtungen von Deutschen und auch Juden.

Es handelt sich um ein Buch, in dem vieles abgerechnet wird und in dem viele bekannte Persönlichkeiten ihr ganz persönliches Fett weg bekommen und nicht gerade gut dabei weg kommen… Wie vieles davon der Wahrheit entspricht und wie viel eher Dichtung ist, darf spekuliert werden. In Billers Rückschau klingt alles sehr authentisch und plausibel.

Solange niemand Unterlassungsklagen einreicht oder wegen des Vorwurfs der Verleumdung den weiteren Verkauf des Buches gerichtlich verbieten lässt, gehen wir von der ganzen Wahrheit der geschilderten Begegnungen aus. Und die sind spannend und oftmals verblüffend mit ihrer Direktheit und Schärfe.

Maxim Billers neues Buch ist das Selbstporträt eines mutigen Mannes, der seinen Weg ungeachtet des allseitigen Gegenwinds verfolgt. Das Porträt eines eigentlich tschechischen, weil in Prag geborenen Autors, der aber seit seiner Kindheit in Deutschland lebt und der sich selbst weniger gern als Deutscher denn als Jude bezeichnet. Es ist das Porträt eines wütenden Autors, der mit offenem Visier schreibt.

„Der gebrauchte Jude“ ist die Geschichte eines Juden, den wir brauchen, um uns immer wieder den Spiegel vorhalten zu lassen und um zu sehen, wie schlimm es steht. Und gleichzeitig ist es die Geschichte eines Juden, den wir gebrauchen, um uns selbst den Spiegel vorzuhalten und zu behaupten, es sei doch alles nicht so schlimm. Beides ist richtig und beides ist wichtig. – Danken wir Maxim Biller dafür, dass er dieses Spiel seit Jahren mitspielt und unser Gewissen wach hält!

Autor: Maxim Biller
Titel: „Der gebrauchte Jude“
Gebundene Ausgabe: 180 Seiten
Verlag: Kiepenheuer & Witsch Verlag
ISBN-10: 346203703X
ISBN-13: 978-3462037036

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