Hans Hütt: „Die 50er — Ein Jahrzehnt in Wörtern“ / „Die 60er — Ein Jahrzehnt in Wörtern“

Womit hat man sich in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts beschäftigt? Was prägte den Alltag der bundesrepublikanischen Nachkriegszeit und das Leben in der DDR zu jener Zeit? Der Journalist Hans Hütt hat in seiner neuen Buchreihe, die passenderweise im Duden-Verlag erscheint, vor allem einen genauen Blick auf eine Reihe von Begriffen geworfen, die seinerzeit zum alltäglich und allgegenwärtig waren, heute jedoch bei vielen älteren Lesern so manche Assoziationen und teilweise verschüttete Erinnerungen zu wecken in der Lage sind.

Die kleinen Büchlein (jeweils nur 128 Seiten dick und durch zahlreiche Illustrationen aufgelockert) lesen sich wunderbar leicht und bieten einen anregenden Einblick in eine längst vergangenen Alltagswelt. Kurz gesagt: viel Lesespaß für wenig Geld!

Doch es ist mit diesen kleinen Büchern etwas Seltsames. Sie verfolgen einerseits einen durchaus lobenswerten Ansatz der Erschließung einer Dekade auf dem Weg über die Sprache: Charakteristische Wörter, die den Zeitgeist widerspiegeln, werden ausgewählt und entlang ihnen eine kleine Sozialgeschichte der 50er bzw. 60er Jahre erzählt; andererseits verfügen die aus diesem Versuch einer Sprachgeschichte entstandenen Kurztexte nicht einmal ansatzweise die Reflexionshöhe eines entsprechenden Textes Georg Simmel, Siegfried Kracauer oder gar Walter Benjamin.

Wie läse sich ein Text von Simmel über das Kofferradio? Zu welchen Erkenntnissen wäre ein Siegfried Kracauer gekommen, wenn er einen Essay über „Petticoats“ und „Kintopp“ verfasst hätte?! — Hier wären kleine Meisterwerke entstanden, weil jene Autoren das Senkblei Ihres Verstandes bis auf den gesellschaftlichen Grund der von ihnen betrachteten Phänomene hinabfahren ließen und auf diese Weise zu tiefschürfenden Erkenntnisse über den Geist der Zeit, eben den Zeitgeist, gelangt wären …

Doch vielleicht ist dieser Anspruch des Kritikers an den Text aber auch viel zu hoch — ja, ganz sicherlich erhebt der Autor selbst gar nicht den Anspruch eines solchen Abstraktionsgrades, vielleicht möchte er mit seinen kurzen Texten einfach nur unterhalten und amüsieren. Denn was an der dargebotenen Lesekost vor allem auffällt, ist zum einen ihre leichte Verdaubarkeit und zum anderen ihr blitzlichtartiges Herausstellen einzelner Phänomene aus einer kontingenten Vergangenheit.

Insofern sollte man sich gleich zu Beginn davon freimachen, allzu viel Tiefe zu erwarten. Das ist gar nicht böse gemeint, sondern als Hinweis auf den Gebrauchswert dieser kleinen Bücher (von denen übrigens auch bald noch je ein Band über die 70er und 80er Jahre folgen soll). Es entfaltet sich in diesen Büchern keine Sozialgeschichte der jungen Bundesrepublik, sondern es werden bestenfalls Erinnerungen geweckt an eine untergegangene Gesellschaft in Zeiten von Fortschrittsgläubigkeit und wachsendem Wohlstand.

Die gesamte Aufmachung, Format, Illustration und Schriftgröße machen klar, dass es sich in allererster Linie um Geschenkbücher handelt: schöne kleine Mitbringsel, die uns Leser an die gute, alte Zeit erinnern sollen, als wir noch jung waren. Zielgruppe dürfte demnach wohl ein älteres Lesepublikum sein, welches jene 50er oder 60er Jahre des letzten Jahrhunderts zumindest ansatzweise selbst erlebt hat.

Der Journalist Hans Hütt hat sich hierzu in seine Kinder- und Jugendzeit zurückversetzt und in den eigenen Erinnerungen gekramt. Was waren charakteristische Wörter, Redewendungen oder einfach auch alltägliche Dinge, die damals wichtig und in aller Munde waren?

Es ist eine vergnügliche Zeitreise vor allem in die westdeutsche Vergangenheit. Denn bei allen gutgemeinten versuchen, auch DDR-Spezifisches in die Sammlung einzubauen (Datsche, Sandmännchen, Schlüsselkind, Jugendweihe …) spiegeln die Texten vor allem westdeutsches Alltagsleben wider. Das ist ja im Grunde nicht schlimm — denn für die westdeutschen Leser amüsant und für die ostdeutschen eventuell lehrreich —, doch es hinterlässt schon beim ersten Durchblättern einen leichten Beigeschmack.

Diesen Beigeschmack wird man jedoch schnell wieder los, indem man einfach zum nächsten kleinen Text springt und sich vom Autor unterhalten lässt. Denn genau dazu sind diese kleinen Bücher bestens geeignet: zu unterhalten. Schmunzeln Sie sich also durch die Alltagswelt der deutschen Nachkriegsjahrzehnte und erinnern Sie sich, wie es früher einmal war!

 

 

Autor: Hans Hütt
Titel: „Die 50er — Ein Jahrzehnt in Wörtern“
Gebundene Ausgabe: 128 Seiten
Verlag: Duden
ISBN-10: 3411742429
ISBN-13: 978-3411742424

 

 

Autor: Hans Hütt
Titel: „Die 60er — Ein Jahrzehnt in Wörtern“
Gebundene Ausgabe: 128 Seiten
Verlag: Duden
ISBN-10: 3411742437
ISBN-13: 978-3411742431