Roland Jaeger: „Foto-Auge Fritz Block — Neue Fotografie. Moderne Farbdias“

Fritz Block wurde 1889 als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Westfalen geboren. Er absolvierte ein Architekturstudium, das er mit der Promotion abschloss. Wegen seiner Schwerhörigkeit wurde er vom Militärdienst freigestellt.

1921 ging Dr. Block nach Hamburg und gründete zusammen mit seinem Studienfreund Ernst Hochfeld das Architekturbüro Block & Hochfeld. Es war eine spannende Zeit des Neuanfangs und der bedarf an neuen Bauten war riesig. Es war die Zeit des Neuen Bauens, dem sich auch Block und Hochfeld verschrieben hatten und dessen Protagonisten sie in Deutschland waren.

Ganz im Stil der Neuen Sachlichkeit entwarfen und bauten sie in erster Linie öffentliche Verwaltungs- und Bürogebäude, aber auch Villen und Wohnungsbauten. Zu ihrem Meisterstück zählt zweifellos das Deutschlandhaus am Gänsemarkt mit einem UFA-Kino im Haus, damals das größte in ganz Europa.

Von 1927 bis 1933 ist Block Mitglied des Architektenkomitees innerhalb der Leitung des Deutschen Werkbundes, von 1927-29 Mitglied der Schriftleitung für Baukunst bei der Kulturzeitschrift „Der Kreis“, Hamburg. Parallel von 1931-33 Mitglied im Hamburger Leica-Club.

Die frühen 1920er Jahre waren auch die Zeit der Fotobewegung. Fotografieren wurden dank der neuen Kameratechnik auch für die breite Masse erschwinglich. Zu den Beschäftigungen eines Architekten gehörte fortan auch die Dokumentation des eigenen Bauens sowie das Sammeln von Aufnahmen interessanter architektonischer Lösungen in der eigenen Stadt oder auf Reisen.

Fritz Block begann zunächst als fotografischer Autodidakt mit einer selbst gekauften Mittelformat-Kamera, Architektur zu fotografieren. Als 1925 die erste Leica als handliche Kleinbildkamera auf den Markt kam, wechselte Block zu der kleineren Alternative und blieb der Leica ein Leben lang treu.

Mit der Ausweitung der Fotografie zum Massenmedium entwickelte sich auch ein breiter Markt für Foto-Zeitschriften. Schon bald arrivierte er zu einem der fortschrittlichsten Fotografen im Bereich Architekturfotografie. Seine Bilder veröffentlichte er in der Leica-Zeitschrift „Die Leica“, in „Die Form“ und zahlreichen anderen Fotojournalen und Publikumszeitschriften. Auf diese Weise wurden seine Fotos und sein Stil schnell auch einem breiteren Publikum bekannt, nicht zuletzt, weil er mit seiner kleinen Leica auch vor extremen Untersichten und anderen ungewöhnlichen Perspektiven nicht zurückschreckte, sondern sie sogar bewusst suchte.

Block hat sich sehr für die neueste Fototechnik interessiert und hat sein fotografisches Handwerk durch das intensive Studium seiner progressivsten Kollegen verfeinert: Bücher wie „Malerei Photographie Film“ des Bauhaus-Lehrers Lázló Moholy-Nagy (1925) und „Die Welt ist schön“ von Albert Renger-Patzsch (1928) standen ebenso in seinem Regal wie „Technische Schönheit“ von Hanns Günther (1929). Man sieht es den frühen Fotos an, in welchem „Geist“ sie entstanden sind, ohne dass Blocks Arbeiten jemals etwas Epigonenhaftes gehabt hätten.

Der vorliegende Bildband ist beeindruckend. Mit seinen 336 Seiten entfaltet dieses Buch eine gewaltige Kraft, ja, einen regelrechten Sog, der den Leser/Betrachter immer tiefer hineinzieht in diese Fotografien und in die Zeit ihrer Entstehung.

Was und wo hat dieser Mann mit dem Hut, der für eine Selbstaufnahme im Spiegel so verschmitzt hinter seinen kleinen Leica in die Kamera lächelt, nicht alles fotografiert: in Hamburg, in Berlin, in Frankreich, der Schweiz und in Amerika. Neben Architekturaufnahmen sind es zunächst auch Naturaufnahmen von Tieren, Pflanzen und Muscheln, später auf reisen auch Straßenszenen. Alles in Schwarzweiß und in höchster Qualität, eben typisch Leica.

Dann aber kommen die Nationalsozialisten an die Macht, und man ahnt das Schlimmste. Doch Block führt sein Architekturbüro mit Hochfeld noch bis 1938 weiter. Auch nach 1933 unternimmt Block weite Reisen und es scheint so, als ob sich in Deutschland nichts geändert hätte. 1935 reist er nach London, im Frühsommer 1937 per Auto nach Dalmatien und Italien.

Die erste Hälfte des Jahres 1938 reist er mit dem Schiff einmal um die Welt, von Venedig über Palästina, Ceylon und Indien, Java und Bali, Australien und Neuseeland, Fidschi und Hawaii bis San Francisco. Zurück geht es von New York über London.

Dann folgt in der Biografie des Anhangs in diesem Buch ein bemerkenswerter Eintrag, der für das kollektive Schicksal der jüdischen Bevölkerung im Dritten Reich ebenso außergewöhnlich wie erfreulich ist: „am 11. November vorübergehende Inhaftierung im KZ Oranienburg; nach Freilassung am 16. November Emigration in die USA; Ansiedlung in Los Angeles“.

Fritz Block und seine Frau konnten bei ihrer Emigration in die USA sogar einen kleinen Teil ihres Hausstands mitnehmen; so wanderten auch seine Bibliothek und sein Fotoarchiv ins Exil nach Kalifornien. In den USA merkt Block schnell, dass er hier kaum als Architekt weiterarbeiten kann und auch nicht will; der Baustil und architektonische Zeitgeist unter der kalifornischen Sonne sagten dem Meister des Neuen Bauens nur wenig zu. Also wird er sich fortan ausschließlich der Fotografie widmen.

Der vorliegende Bildband zeigt für diese Zeit Bemerkenswertes: Als einer der Ersten beginnt Block bereits am Ende der 1930er Jahre mit Farbdiafilm zu arbeiten und wendet sich bald der Farbfotografie zu. Als Ein-Mann-Firma (Dr. Block Color Productions) fertigt er Anschauungsmaterial für den Schulunterricht, fotografiert Farbdia-Serien zu architektonischen Themen, Innen- und Außenaufnahmen und propagiert die Einrichtung von „Educational Color Libraries als zeitgemäße Ergänzungen zum visuellen Angebot der Museen.

1944 wurde Block amerikanischer Staatsbürger und starb 1955 in Los Angeles. Nach Deutschland war er nie wieder zurückgekehrt. Nach seinem Tod geriet er schnell und für lange Zeit in Vergessenheit. Erst in den 1970er Jahren erwachte wieder das Interesse, allerdings zunächst vor allem an der avantgardistischen Architektur der 1920er Jahre.

Über diesen Umweg dauerte es dann noch einmal bis 1996, bis auch Blocks fotografisches Werk im Rahmen einer Monografie über den Architekten Fritz Block gewürdigt wurde. Dann brauchte es noch einmal neun weitere Jahre, bis die Zeitschrift „Leica Fotografie International“ im Jahr 2005 — Blocks 50. Todesjahr — ein zweiteiliges Portfolio mit einem Querschnitt seines Schaffens veröffentlichte.

Die vorliegende Publikation schließlich begreift sich als eine Kombination von dokumentarischer Monografie und künstlerischem Fotobuch. Die materiale Grundlage für dieses ambitionierte Projekt bildete das Nachlassmaterial des Fotografen, welches sich sowohl im Besitz der University of California in Santa Barbara als auch im Familienbesitz befindet.

„Foto-Auge Fritz Block“ bietet nicht nur einen umfangreichen und faszinierenden Einblick in das fotokünstlerische Schaffen von Fritz Block, sondern lädt den Leser auch auf eine Zeitreise ein — von den frühen 1920er Jahren in Deutschland bis ins Jahr 1950 in Amerika. — Ein wundervolles Foto-Buch für Fotografen, Kunstliebhaber und Zeitreisende!

 

 

Autor: Roland Jaeger
Titel: „Foto-Auge Fritz Block — Neue Fotografie. Moderne Farbdias“
Gebundene Ausgabe: 336 Seiten
Verlag: Scheidegger & Spiess
ISBN-10: 3858815314
ISBN-13: 978-3858815316