Freya Klier: „Dresden 1919 — Die Geburt einer neuen Epoche“

Wenn man mit der deutschen Novemberrevolution 1918 vor allem Kiel und Berlin und für das Jahr 1919 auch noch München assoziiert, so ist das nicht falsch; aber es ist auch nicht ganz richtig. Denn Dresden spielte während der Endphase des Ersten Weltkriegs und der turbulenten Übergangszeit bis zur Ausrufung der Weimarer Republik eine bedeutende Rolle, die bislang von den Historikern zu sehr vernachlässigt wurde.

Dieser Meinung scheint jedenfalls Freya Klier zu sein, Schauspielerin, Theaterregisseurin und in den frühen 1980er Jahren wichtige Figur der DDR-Friedensbewegung. Die Autorin ist gebürtige Dresdnerin, und so lag es vielleicht einfach nahe, sich mit jener Phase der Dresdner Geschichte intensiver auseinander zu setzen.

In der kollektiven Erinnerung begegnet uns Dresden heute vor allem als die prächtige Residenzstadt Sachsens unter August dem Starken, dann im Februar 1945 durch die alliierten Bomberflotten als total zerstörte Stadt und heutzutage als Aufmarschgebiet rechtspopulistischen Gruppen. Besonders letzterem galt es, etwas entgegen zu setzen.

Die Autorin ist Dramaturgin, und sie hat sich jener kurzen Zeitspanne von Oktober 1918 bis zum Februar 1920 in einer Weise angenommen, die ein wenig an Walter Kempowskis „Echolot“ erinnert. Freya Klier lässt vor allem Originalstimmen zu Wort kommen.

Künstler und Schriftsteller versuchen die Rätsel dieser Zeit zu entschlüsseln. In ihren Aufzeichnungen findet sich dieselbe Unsicherheit wie in vielen anderen Notizen jener Zeit. Die Frage danach, wie es weitergehen soll, steht übermächtig im Raum.

Das deutsche Kaiserreich hat sich aufgegeben, steht kurz vor dem totalen Zusammenbruch, die Habsburger Doppelmonarchie wurde zerschlagen, im Osten droht der Bolschewismus, im Westen haben die Siegermächte wichtige Teile des Landes besetzt.

„Die SPD springt in die Bresche; nun lastet alles auf ihren Schultern. Doch kaum ist der Waffenstillstand da, trommelt Linksaußen zum Bürgerkrieg.“ Was folgt sind politische Unruhen, die im Grunde bis zur Machtergreifung durch die Nazis im Januar 1933 nicht mehr aufhören.

Die Autorin fragt sich, wie die Umkehr vom Krieg in den Frieden bei den Kriegsheimkehrern verlaufen ist. Um das zu verstehen, muss man in der Zeit noch weiter zurückgehen bis in die letzte Phase des Krieges. Erst dann erahnt man die Erschöpfung und Verzweiflung, die Sinnlosigkeit des Massensterbens und das Auseinanderfallen aller zivilisatorischen Schutzhüllen, die eine Gesellschaft umgeben.

In diesem spannenden Buch werden aber nicht nur die Stimmen von Otto Dix und Oskar Kokoschka, Ernst Toller und Otto Griebel, sondern auch vieler anderer Dresdner hörbar. Im Hauptstaatsarchiv Dresden hat die Autorin auch viele Quellen von Polizei und Staatsanwaltschaft, Kriegsministerium und weiteren offiziellen Stellen eingesehen und in den Text eingearbeitet. Freya Klier liefert durch ihre sehr gut recherchierten Texte nicht nur den Übergang zwischen den Original-Passagen, sondern schafft mit jenen zusammen eine polyphone Collage, in der das Dresden um 1920 wieder lebendig wird.

Aus Sicht der Geschichtswissenschaft stellt sich immer zunächst die Frage nach den Quellen. Was wird hier zitiert, woher stammen die Zitate, in welchem Kontext entstand der Text, kurzum: eine Frage der Quellenkritik. „Dresden 1919“ verfügt über keinen „Apparat“ im historiographischen Sinne, es gibt keine Fußnoten und keinen umfangreichen Anhang. Die zitierten Quellen werden im Literatur- und Quellenverzeichnis genannt, doch der Autorin ging es um etwas ganz Anderes: Sie wollte keine Forschungsliteratur schreiben, sondern den Leserinnen und Lesern eine möglichst umfassende Vorstellung von den Befindlichkeiten der Menschen in jener bewegten Zeit geben.

„Dresden 1919“ ist ein gut zu lesendes und leicht verständliches Sachbuch über „Die Geburt einer neuen Epoche“, wie es im Untertitel heißt. Aufgrund seiner überwiegend chronologischen Gliederung und seiner dramaturgischen Konzeption hat dieses Buch, was den meisten (nicht allen!) wissenschaftlichen Publikationen fehlt: Spannung.

Während der Lektüre begibt man sich auf eine Zeitreise durch die turbulente Phase der Übergänge vom Krieg zum Frieden und von der Monarchie zur Demokratie. Freya Klier zeigt an und mit diesem Buch, wie man historische Themen anschaulich aufbereiten kann. So schreibt man Geschichte zum Anfassen und macht historische Zusammenhänge „be-greifbar“.

 

 

 

Autor: Freya Klier
Titel: „Dresden 1919 — Die Geburt einer neuen Epoche“
Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
Verlag: Verlag Herder
ISBN-10: 3451359995
ISBN-13: 978-3451359996

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