Der Schweizer Dramatiker Lukas Linder hat für seine Arbeiten bereits mehrere Preise erhalten, unter anderem den begehrten Kleist-Preis. Lukas Linder ist ein Theatermann. Nun hat er sein Debüt als Romancier vorgelegt. Man merkt dem Debüt nicht an, dass es von einem Theatermann geschrieben wurde, und das ist sehr erfreulich, weil es nicht den Erwartungen entspricht.
Dramatik und Epik sind (neben der Lyrik) zwei literarische Gattungen, die seit der Antike in Konkurrenz zueinanderstanden. Was das eine Genre nicht leisten konnte, wurde dem anderen zugeschrieben. Die Form entscheidet nicht zuletzt darüber, wie erfolgreich eine Geschichte erzählt wird.
„Der letzte meiner Art“ ist die hübsche Familiengeschichte des jungen Alfred von Ärmel, der seinen Platz in der Familienchronik sucht. Schon früh findet er sein Vorbild in dem Namensvetter Alfred, dem „Gnadenlosen“, der seinerzeit als „Schlächter von Marignano“ in die Familiengeschichte einging. Vierzig Franzosen soll er niedergemäht haben, das war vor fünfhundert Jahren, und ohne Zweifel war Alfred von Ärmel ein Held.
Der junge Alfred ist sich ganz sicher: „Mein Vorfahre war ein Held. Obwohl schon fünfhundert Jahre tot, sprachen die Leute immer noch von ihm.“ Ganz anders der Vater. Wimpel sind seine Welt, und derart „wimpelbasiert“ ist auch seine Weltsicht. Alfreds Vater ist sein Vater, aber sicherlich kein Vorbild, an dem er sich orientieren könnte. Und die Mutter? — Die zog es bald vor, die Familie zu verlassen, sich einem Wanderzirkus anzuschließen und sich unsterblich in einen Clown zu verlieben, was außer ihr keiner in der Familie wirklich witzig fand.
Zu allem Unglück hat Alfred auch noch einen großen Bruder, der zu allem Überfluss auch noch gut Geige spielen kann, was die Lage nicht unbedingt verbessert. Um ein Held zu sein, muss Alfred also etwas Außergewöhnliches wagen, ein Held sein …
„Der Letzte meiner Art“ bezaubert vor allem durch seinen melancholischen und hintergründig grotesken Erzählton. Hier beschreibt einer seine Welt, die abgeschlossene Welt seiner seltsamen Familie und die zum Teil absurden Lösungsvorschläge, die der junge Protagonist immer wieder für seine zahlreichen prekären familiären Situationen findet.
Die turbulente Handlung von „Der Letzte meiner Art“ beschreibt die Entwicklung des Protagonisten auf der Suche nach seinem Platz in der Ahnenreihe der von Ärmels, nach seinem Weg in die Welt der Erwachsenen und letztlich auch irgendwie die Suche nach dem ganz individuellen Sinn seines Lebens.
Für einen Debütroman liest sich der Text sehr souverän und stilistisch vollendet. Allerdings handelt es sich bei dem Autor ja auch, wie bereits oben geschildert, keineswegs um einen literarischen Neuling, sondern um einen gestandenen Dramatiker. Insofern liefert dieses Debüt, was man von Lukas Linder erwarten durfte: einen schönen und skurrilen Familienroman, der sich wunderbar leicht liest und einfach Spaß macht! — Wer eine Schwäche für absurde Familienaufstellungen und abstruse Charaktere hat, kommt hier voll auf seine Kosten!
Autor: Lukas Linder
Titel: „Der Letzte meiner Art“
Gebundene Ausgabe: 272 Seiten
Verlag: Kein & Aber
ISBN-10: 3036957855
ISBN-13: 978-3036957852