Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wenn Sie Kaminer lesen. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass es Ihnen genauso geht wie mir: Ich kann keinen Text von Wladimir Kaminer mehr lesen, ohne sogleich seine Stimme zu hören. Das kommt von der mehr oder weniger permanenten Medienpräsenz, die Kaminer seit Anfang der 1990er Jahren in Deutschland hat.
Wer ihn einmal gehört hat, wie er seine Texte liest, der wird diese Stimme nicht mehr los. Es ist ein Fluch und ein Segen zugleich. Nur mit allergrößter Anstrengung gelingt es dem Literaturkritiker, die Stimme im Kopf auszuschalten und den Text quasi „blanko“, eben als reinen Text ohne Stimme, zu nehmen und zu begutachten.
Diese anstrengende Analyse ergibt, dass sich Kaminers Texte mit einem Sound entfalten, der atmosphärisch gut in die 1950er oder 1960er Jahre passen würde. Alles klingt ein bisschen wie ein Remix aus Ephraim Kishon und Joachim Fernau. Mit anderen Worten: Es ist eine wunderbar leichte und beschwingte Lektüre, der Blick auf die Welt und ihre Alltäglichkeiten ist geprägt von einer abgrundtiefen Menschenliebe und einem Humor, der selbst noch im Tragischen das Komische zu sehen in der Lage ist.
Politik und Weltverbesserung sind nicht Kaminers Themen. Er ist und bleibt der Meister der kleinen Form, der satirischen Bestandsaufnahme des Unscheinbaren, ein Meister der Demaskierung des Verhüllten. Na, und so weiter. Sie wissen ja sowieso, was Sie erwarten dürfen, wenn Sie ein Buch von Kaminer kaufen, oder?
Im Grunde ist es egal, worüber der Autor schreibt. Ob Russendisko, Helden des Alltags, den Prenzlauer Berg, Kindererziehung, den Vater, die Mutter, die Ehefrau: Immer steckt 100 % Kaminer in dem Text, und immer hat man 100 % Lesespaß und ist getröstet, ja, erleichtert zu sehen, dass unsere seltsame und wunderbare Welt eigentlich gar nicht so schrecklich und sonderbar ist, wie sie uns oftmals scheinen mag. Nein, hinter allem brennt ein Lichtlein, und Wladimir Kaminer ist so freundlich, uns den Vorhang ein wenig zu öffnen und das Lichtlein leuchten zu lassen. — Kaminer ist sogar in der Lage, spannend über Garten und Küche zu schreiben! Das muss man als Mann erst einmal schaffen…
Doch dieses Mal geht es um seine Frau. Eigentlich geht es ja immer irgendwie um die Frauen, denn alle gute Literatur dreht sich letztlich nur darum, um die Eine. Was Kaminer von seiner Frau weiß, ist eigentlich eine ganze Menge. Schließlich ist er ein guter Beobachter, und seine Beobachtungen schreibt er auf. Über die Jahre ist so ein glitzerndes und wohlschmeckendes Konzentrat entstanden, das wir Leser jetzt genießen dürfen.
Natürlich ist Kaminers Frau einzigartig, und natürlich steht sie ebenso stellvertretend für alle Frauen unserer Zeit. Das Spiel mit den Klischees gehört zum Spiel. Das ist auch hier nicht anders. Gleichwohl ist es gerade hier eben wieder jener Sound der längst vergangenen Zeiten, als Männer noch Männer und Frauen eben noch Frauen waren. In Kaminers Texten ist immer alles ganz einfach, ganz deutlich, ganz monokausal und leicht zu erklären. Doch natürlich ist es in Wirklichkeit eben genau das nicht!
Männer werden Frauen nie wirklich verstehen, sie können bestenfalls Mutmaßungen anstellen darüber, was eine Frau denkt, aus welcher Motivation heraus sie handelt oder was sie wirklich im Schilde führt.
Gleichwohl ist die Lektüre dieses Buches (wie jedes anderen von Wladimir Kaminer) ein großer Lesespaß, eine helle Freude und jedem zu empfehlen, der — wenigstens vorübergehend — die Schwere des Alltags ein bisschen leichter nehmen möchte.
Autor: Wladimir Kaminer
Titel: „Einige Dinge, die ich über meine Frau weiß“
Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
Verlag: Wunderraum
ISBN-10: 3336547601
ISBN-13: 978-3336547609