Florence Ehnuel: „Das schöne Geschlecht der Männer – Eine Liebeserklärung“

Florence Ehnuel: "Das schöne Geschlecht der Männer"Dieses Buch hat das Potenzial, wie eine Bombe im deutschen Bücher-Herbst einzuschlagen. In ihrem Buch „Das schöne Geschlecht der Männer“ versammelt die Autorin ihre erotischen Selbstbetrachtungen und Beobachtungen des männlichen Geschlechts – im doppelten Wortsinn.

„Das schöne Geschlecht der Männer“ ist eine Liebeserklärung, ein charmanter und dennoch hoch erotischer Text. Dabei legt die Autorin den Fokus auf die liebevolle Betrachtung des männlichen Geschlechts, bleibt dabei jedoch vornehm französisch und rutscht dabei weder in die unhygienischen Feuchtgebiete einer Charlotte Roche noch auf das pornografische Niveau einer Catherine Millet ab.

Um dem Leser eine erste Einordnungshilfe an die Hand zu geben, kann man Florence Ehnuels erstes in Deutsch erschienenes Buch als eine geglückte Mischung aus niveauvoller erotischer Literatur und philosophischen Essay bezeichnen.

Florence Ehnuel ist das Pseudonym einer schönen, jungen französischen Philosophie-Lehrerin, die in Bordeaux lebt und arbeitet. Florence ist geschieden, hat vier Kinder und liebt Männer.

Das Buch hat auf der einen Seite sehr lyrische und elegische Passagen, und auf der anderen Seite liest es sich teilweise fast wie ein Manifest für sexuelle Freiheit und für „Polyfidélité“. Für diesen Begriff gibt es im Deutschen noch kein Pendant. Es ist die Umschreibung einer Lebensform, die einen dritten Weg zwischen einem klassischen Eheleben und einer promisken Sexualität sucht: ein gleichzeitiges Leben in mehreren treuen Beziehungen.

Nachdem ihr Ehemann sich in eine andere Frau verliebte, beschlossen beide, wegen der Kinder weiter zusammen zu leben. Aber Florence wollte frei sein und neue Bekanntschaften schließen. Ihr Buch „Das schöne Geschlecht der Männer“ ist im Grunde die Fortsetzung ihres Buches „L’amour conjugé“ von 2004, in dem sie über Eheleben und Ehebruch schreibt.

Die Autorin sagt selbst über „Das schöne Geschlecht der Männer“: „Ich möchte es gern als einen philosophischen Essay bezeichnen. Jedoch handelt es sich nicht um einen rein theoretischen Essay, zum Beispiel einen Essay über die Menschheit, sondern ein Essay, der auf meinen eigenen Erfahrungen basiert. Es gibt einen Philosophen, den ich sehr verehre: Montaigne. Auch er entwickelte seine Philosophie basierend auf seinen Erfahrungen, und das liebe ich sehr.

Florence Ehnuel betritt in diesem Buch Neuland, denn sie widmet sich in ihren erotischen Betrachtungen explizit dem männlichen Körper. Beim männlichen Leser löst diese Lektüre eine bislang unbekannte Form erotischer Gefühle aus. In der herkömmlichen erotischen Literatur wird das Augenmerk nahezu ausschließlich auf Frauen und Frauenkörper gelegt; der männliche Körper dient allenfalls als Vehikel zur Darstellung der weiblichen Lust. Ganz anders bei Florence Ehnuel! Sie entdeckt voller Hingabe die Faszination und Schönheit des männlichen Körpers im Ganzen und der männlichen Geschlechtsorgane im Besonderen.

Der Text ist rein autobiografisch und versucht anhand der Selbstbetrachtungen philosophische Schlüsse zu ziehen – ganz in der Tradition Montaignes, der ebenfalls alltägliche Beobachtungen zur Grundlage der Entwicklung seiner eigenen Alltagsphilosophie machte.

Das Schauen und Zur-Schau-Stellen nehmen einen wichtigen Platz im Liebesleben der Autorin ein. Durch das bewusste Anschauen des männlichen Geschlechts wird es geehrt. Und die Darbietung des Glieds und der Hoden stellt wiederum ein Geschenk des Mannes an die Geliebte dar. Dadurch dass er sich ihren Blicken öffnet, zeigt er seine Wertschätzung, und die Vorfreude auf das Geschenk des Liebesaktes ist für Florence Ehnuel ein wichtiger Teil des Vorspiels.

In ihrem Buch lernen wir Raphael kennen und Iouri. Sie sind zwei der Männer, mit denen Florence Ehnuel eine Beziehung hat. Es ist keine auf Ausschließlichkeit und Treue basierende Beziehung, sondern eine ganz der gemeinsamen sinnlichen Erfahrung von Intimität und Lust gewidmete Form der Liebe.

In ihrem exklusiven Interview für kulturbuchtipps erzählt Florence Ehnuel von der Entstehung und den Inhalten dieses Buches sowie von ihren nächsten Projekten.

„Das schöne Geschlecht der Männer“ ist das erste Buch, das in deutscher Sprache von Florence Ehnuel erscheint. In Frankreich erschien das Buch bereits vor zwei Jahren. Die Resonanz bei den Lesern war leider nicht sehr groß, was überrascht. Denn bei der Beschreibung ihres unkonventionellen Liebeslebens bricht Florence Ehnuels durchaus einige gesellschaftliche Tabus. Aber vielleicht war die Form der Darstellung nicht eindeutig genug.

Hierzu sagte Florence Ehnuel: „Insgesamt erhielt ich nicht so viel Resonanz, wie ich mir beim Schreiben erhofft hatte. Vielleicht lesen die Leute lieber erotische Romane als meinen Weg der Darstellung zu gehen.

So bleibt zu wünschen, dass das Buch in Deutschland ein größerer Erfolg wird. Denn die Kombination aus schonungslos autobiografischen Passagen und philosophischen Reflexionen ist interessant und sehr unterhaltsam. In Frankreich ist bereits ein weiteres Buch von Florence Ehnuel erschienen („Saison russes“), in dem sie in Romanform die Liebegeschichte mit ihrem Russischlehrer Iouri erzählt. Auch dieses Buch wird hoffentlich ins Deutsche übersetzt. Denn Florence Ehnuel ist nicht nur eine gute Philosophie-Lehrerin, sondern auch eine begabte Schriftstellerin, von der man gern mehr lesen möchte.

„Das schöne Geschlecht der Männer“ ist die spannende Geschichte einer Frau, die ihre erotischen Begegnungen voller Lust und Lebensfreude zelebriert und uns allen zeigt, wie vielfältig und einzigartig und wie faszinierend und geheimnisvoll die Liebe ist.

 

Autor: Florence Ehnuel
Titel: „Das schöne Geschlecht der Männer“
Gebundene Ausgabe: 144 Seiten
Verlag: Goldmann Verlag
ISBN-10: 3442311950
ISBN-13: 978-3442311958

 

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Exklusiv-Interview mit Florence Ehnuel für kulturbuchtipps am 30.11.09