Starke und leise Frauen sind in wunderschönen Portraits in diesem bei btb erschienenen Taschenbuch versammelt. Verfasst wurden sie über viele Jahre und zu verschiedenen Anlässen von der bekannten Germanistin Ursula Krechel.
Ursula Krechel wurde 1947 in Trier geboren, studierte Germanistik, Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte, lehrte an verschiedenen Universitäten und lebt heute als Lyrikerin und Schriftstellerin in Berlin.
Sie hat für ihre Portraits die freie Form des Essays gewählt, gerade weil diese Wahl eine Befreiung von formalen Einschränkungen bietet. „Als eine chronische Spurwechslerin zieht mich der Essay zu Zeiten an, in denen etwas untergründig geschieht, das noch keine Form hat, auch nicht unbedingt eine spezifische Form sucht.“ Somit ist der Essay auch bestens geeignet, die Lebenswege bedeutender Persönlichkeiten in einer Art und Weise nachzuzeichnen und den mitunter schwachen und unscheinbaren Signalen nachzuspüren, wie es die klassische Biographie eben gerade nicht vermag.
„Der Essay bietet Raum für ein weit ausgreifendes Denken, in dem Platz ist für Nicht-zu-Ende-Gedachtes, er lädt ein zum riskanten Denken.“ Und so lesen sich diese Frauenportraits wie kleine Reisen in unbekannte Lebenswelten, an denen wir teilhaben dürfen.
Unterteilt in drei große Abschnitte, die in etwa den Zeitabschnitten vom 14. – 19. Jahrhundert sowie der ersten und zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entsprechen, werden 19 Frauen der Literaturgeschichte in ihrem Leben und Wirken vorgestellt. Anders als die übliche Fokussierung auf das Werk der Künstlerin, interessiert sich die Autorin in erster Linie für die Lebensumstände und die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen die jeweilige Person lebte.
Beginnend bei Christine de Pizan, einer relativ unbekannten Schriftstellerin der Frührenaissance, über Karoline von Günderrode, Bettina von Arnim und Annette von Droste-Hülshoff reicht die Palette über Vicki Baum, Irmgard Keun, Emmy Ball-Hennings und Hannah Höch, weiter über Ruth Landshoff-Yorck und Ingeborg Bachmann bis zu Friederike Mayröcker und Elke Erb.
Was diese kleine Sammlung starker und leiser Frauen so besonders macht, ist einerseits der wundervoll zarte und pointierte Strich, mit denen Ursula Krechel ihre Portraits zeichnet, und andererseits jene Geistes- und Lebenshaltung weiblicher Stärke, die alle Texte durchzieht und die sich in dieser Form nur aus einer selbstsicheren Position der inneren Stille heraus zu bilden in der Lage ist.
Stark und leise ist ein schönes und Mut machendes Buch nicht nur, aber vor allem für Frauen, das zeigt, wie sich Frauen durch alle Zeiten hindurch, immer auch gegen gesellschaftliche Moralvorstellungen oder gegen männliche Hochmut ankämpfend, ihren Platz in der Literaturgeschichte erkämpften.
Wenn man sich jetzt noch vergegenwärtigt, dass dieses Buch das Scheinwerferlicht nur auf die Literatur gelegt hat, so darf man hoffen, dass Frauen auch in anderen Bereichen der Gesellschaft stets ihren Platz behaupten konnten, indem sie ihre Stärke nicht nach außen zur Schau stellten, wie es viele Männer zu machen pflegen, sondern gerade in den leisen Tönen ihre innere Stärke zu beweisen vermochten.
„Stark und leise“ ist in jeder Hinsicht ein schönes und inspirierendes Lesebuch, dessen Lektüre man jedem anempfehlen möchte, der sich für die leisen Töne der Literaturgeschichte interessiert und auf der Suche nach neuen Entdeckungen ist, die manche Überraschung bereithalten.
Autor: Ursula Krechel
Titel: „Stark und leise — Pionierinnen“
Taschenbuch: 384 Seiten
Verlag: btb Verlag
ISBN-10: 3442715385
ISBN-13: 978-3442715381