Fred Herzog: „Modern Color“

Wie konnte ein Werk von dieser Qualität und Dimension von der Kunstgeschichte so lange nahezu unbeachtet bleiben? Diese Frage stellt der Publizist Hans-Michael Koetzle zurecht, denn Fred Herzog, geboren 1930 in Stuttgart, schreibt mit seinen Farbaufnahmen Fotografie-Geschichte. Als ein „Pionier der Farbe, als stiller, bedächtiger Revolutionär des Kodachrome“, bezeichnet er Fred Herzog.

Der Farbraum, der uns in den Fotos von Fred Herzog begegnet, nimmt den Betrachter mit auf eine Zeitreise in die 1960er Jahre. Die in dem Bildband „Modern Color“ publizierten Aufnahmen stammen aus jener Zeit und liefern ein farbiges Abbild der kanadischen Stadt Vancouver, in der Fred Herzog seit Anfang der 1950er Jahre lebt. Kurz danach veränderte die Stadt grundlegend ihr Gesicht. Insofern ist der Begriff der Zeitreise hier im doppelten Sinne zu verstehen.

Vancouver ist eine vergleichsweise junge Stadt. In den 1860er Jahren im Zuge des „gold rush“ gegründet, hat sich Vancouver bis heute immer wieder neu erfunden und auch sein Stadtbild radikal verändert. Dies Wandlungsfähigkeit muss Fred Herzog auch aufgefallen sein, so dass sein Portrait des Vancouvers der 1960er Jahre nicht zuletzt auch eine konservatorische Motivation gehabt haben mag. Doch anders als viele Fotografen seiner Zeit, griff Herzog zum Farbfilm statt zur monochromen Variante, wohl einfach aus dem Grund, weil die Farbe zum Alltag dazugehört. – „Ich malte mir aus, wie ich vielleicht fünfzig oder hundert Jahre später den Menschen zeigen müsste, wie die Stadt einmal ausgesehen hat.“ sagte Herzog einmal selbst über seine Motivation.

Herzog porträtiert Alltagsszenen und Stadtumgebungen als Ausdruck einer unspektakulären Wirklichkeit. Wegen seiner frühen, in den 1950er Jahren noch ungewöhnlichen Verwendung der Farbfotografie gilt er als deren „Pionier“. Fred Herzog handelte im Selbstauftrag, ganz ohne Zeitdruck. Sein dokumentarischer Stil erinnert an die Fotos von Walker Evans. Es ging Herzog nicht darum, wie Henri Cartier-Bresson nach dem „moment décisif“ zu suchen, sondern ihn interessierte wohl eher das allgemeine, vom Moment unabhängige Bild.

Über mehrere Jahrzehnte dokumentierte Herzog das Stadtleben von Vancouver und fotografierte Alltägliches. Gerade dadurch wird er zum fotografierenden Chronisten einer entschwundenen Zeit. Schaut man sich diese Fotos an, so sieht man leere Straßen, vereinzelte Menschen, die zielstrebig den Bürgersteig entlanggehen, und Ladenfronten, wie man sie aus alten Filmen kennt.

Was den Betrachter verzaubert, ist jedoch weniger jenes längst entrückte Zeitbild, sondern die Farben, die sich in den Fotos präsentieren: Solch ein Rot, Blau, Weiß, Grün müsste heutzutage mit einigem Aufwand in Photoshop als „Retro-Farbraum“ rekonstruiert werden, doch Fred Herzog hat diese Farben selbst gesehen und sie einfach auf den berühmten Kodachrome-Farbnegativfilmen festgehalten.

Der Zauber des Verblichenen wird durch die pastellfarbige Palette der Fotos noch verstärkt. Wir blicken in die Vergangenheit, und unsere Vorstellung von der Vergangenheit stimmt perfekt mit jenem Farbspektrum überein, das Herzog uns in seinen „Modern Color“-Fotos präsentiert. Dabei ist Herzog ein vorsichtiger Beobachter, der niemals in eine Szene eingreift; sein liebevoller Blick ist aber immer geprägt von einem starken Interesse für den Menschen, von einem vitalen Humanismus. „In Herzogs Werk verbinden sich Ethik und Ästhetik auf bemerkenswerte Weise“, schreibt Hans-Michael Koetzle in seinem Essay.

Herzogs Beschäftigung mit dem Farbnegativ-Verfahren begann früh und ist leicht zu verstehen. Von Hauptberuf war Fred Herzog Wissenschaftsfotograf, und so kam er natürlich schon besonders früh mit jener neuen Farbtechnik in Berührung, die bereits in den 1930er Jahren entwickelt wurde: Kodachrome (1935) und Agfacolor (1936). Seine Verwendung fand das Farbmaterial jedoch vor allem im wissenschaftlichen Bereich. Daher war es naheliegend für ihn, dieses faszinierende Farbmaterial auch für seine private Fotografie zu verwenden und damit zu experimentieren.

Farbe als eigenständiges Ausdrucksmittel fand in jener Zeit der 1950er Jahre nur langsam seinen Einzug in die professionelle Fotografie – und noch später in die Amateurfotografie. Die Reduktion des Farbraums auf Schwarzweiß wurde und wird nicht selten als gestalterischer Vorteil gesehen; die Farbe sei eben kein eigenes Gestaltungsmittel, sondern lediglich eine neue Bildeigenschaft, die hinzukommt, jedoch verzichtbar ist. Andreas Feininger, Sohn des Bauhaus-Lehrers und Künstlers Lyonel Feininger, brachte diese Ansicht schon früher auf den Punkt, indem er abschätzig meinte: „color is for birds“. Dass das viel zu pauschal ist und so nicht stimmt, beweisen nicht zuletzt Fred Herzogs farbige Stadtansichten in „Modern Color“.

 

Autor: Fred Herzog
Titel: „Modern Color“
Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
Verlag: Hatje Cantz Verlag
ISBN-10: 377574181X
ISBN-13: 978-3775741811

 

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