Vorsicht: Dieses Buch könnte Ihren Umgang mit der eigenen Sexualität verändern! — Doch Voyeure und Spanner seien gewarnt: In diesem Buch werden sie keine Bilder finden, und die Beschreibungen der Sex-Szenen in diesem Buch sind in der Regel auch eher komisch als anmachend. Das liegt nicht zuletzt an der genauen Beobachtung des Autors und an seinem humorigen Stil. Lustiger kann man sich eine Expedition in unbekanntes Gebiet nicht vorstellen; man hat mit Philip Siegel einen kompetenten Guide an seiner Seite, der einem die fabelhafte bunte Welt der neuen deutschen Sex-Branche 2017 zeigt!
Bereits im Jahr 2000 hatte sich der Kölner Journalist Philipp Siegel schon einmal mit der Porno-Kultur in Deutschland beschäftigt. Seine Recherchen in der Film-Industrie führten zu dem Buch „Porno in Deutschland: Reise durch ein unbekanntes Land“. Seitdem sind nicht nur 17 Jahre vergangenen, sondern es haben derart radikale Veränderungen stattgefunden, dass die Bezeichnung „Revolution“ kaum übertrieben ist: Hatte Siegel im Jahr 2000 die omnipotente Marktbeherrschung durch eine Handvoll von Pornoproduzenten beschrieben, die nicht nur den Markt unter sich aufteilten, sondern mit ihren Produktionen den Geschmack des Publikums nach ihren Wünschen beeinflussen konnten, so begegnete ihm bei den Recherchen zu diesem neuen Blick auf die Pornowelt eine völlig andere Situation, die ihn zunächst irritierte, dann jedoch zunehmend faszinierte.
Im Jahr 2017 wird der Markt durch eine beispiellose Demokratisierung der Produktionsverhältnisse bestimmt. Dank der neuen technologischen Errungenschaften, wie kleiner digitaler Kameras und schnellster Internetverbindungen, ist heutzutage jeder in der Lage, seinen eigenen Live-Stream zu erzeugen bzw. Videoclips in HD-Qualität anzubieten.
Die aufwändigen Pornofilm-Produktionen alter Manier sind geradezu nur noch eine Randerscheinung der Pornoindustrie; ganz neue Geschäftszweige und Berufsbilder sind im Zuge der technischen Weiterentwicklung entstanden; Communities von Amateuren, die mit ihrem Hobby Geld verdienen oder die sich zum Sex vor der Kamera verabreden, haben zu einer weiteren Demokratisierung der ehemals hierarchisch und an rein ökonomischen Mustern orientierten Strukturen in der Sexindustrie geführt.
Mehr noch, hat diese ganze Entwicklung zu einer Auflösung der Grenzen zwischen Profis und Amateuren geführt. Die Grenzen verschwimmen. Was ist noch Hobby und was ist schon Business? In ihrer demokratisierten Form wird diese neue Vermarktung der Pornografie zu einem Impulsgeber für die Demokratisierung der Sexualität selbst.
An diesem Punkt kommen wir zu einem wichtigen, aber auch äußerst heiklen Thema. Denn Sexualität wurde schon immer und wird auch heute noch bestimmt durch gesellschaftliche Regeln und Moralvorstellungen. Auch heute gibt es noch weit ausgedehnte Reservate einer hoch sanktionierten Sexualität, wie wir sie alle kennen. Sexualität wird schnell zu einem integralen und exklusiven Bestandteil von Partnerschaft umfunktioniert und verschwindet auf diese Weise automatisch von der öffentlichen Bildfläche. Sex ist Privatsache und wird nicht im öffentlichen Raum verhandelt. Das eigene Sexualverhalten wird somit auf den Bereich der eigenen Partnerschaft beschränkt, und jede Überschreitung dieser roten Linie wird nicht nur beziehungsintern, sondern auch öffentlich getadelt.
Nun entstehen aber plötzlich auch im heterosexuellen Bereich neue Lebensformen und Verhaltensweisen in Bezug auf die Sexualität, die man lange Zeit vorrangig bei homosexuellen Paaren (in der Regel bei Schwulen und viel seltener bei Lesben) antraf: die offene Beziehung. Heutzutage erlauben sich immer mehr heterosexuelle Paare, auch eine sexuell offene (libertäre) Beziehung oder sogar eine polyamorphe Partnerschaft zu leben. In der Folge öffnet sich das strenge Korsett der Zweier-Beziehungen und es entstehen viele unterschiedliche Spielarten der Liebe und Sexualität.
Sein journalistisches „Erweckungserlebnis“ hatte der Autor, als er vor zwei Jahren die Berliner Erotikmesse „Venus“ besuchte. Im Jahr 2000 hatte er dort vor allem Kontakt zu jenen Pornoproduzenten aufgenommen, die er in seinem ersten Buch über die Branche portraitierte. Dieses Mal bot sich ihm aber ein völlig neues Bild: Mütter besuchten zusammen mit ihren Töchtern die Messe, ja es gab sogar ganze Familien (Vater, Mutter, Tochter, Söhne), die einen Familienausflug zur „Venus“ machten! — Woher kommt dieser Wandel?
Während früher vor allem mittelalte Männer allein die Messe besuchten und sich ihren meist weiblichen Stars näherten, schienen sich jetzt vor allem junge Menschen beiderlei Geschlechts auf der Messe umzuschauen und mit ihren Stars Kontakt aufnehmen zu wollen. Ein bisschen mag die „Venus“ an jene Großveranstaltungen erinnern, auf denen die neuen Youtube-Sternchen mit ihren Fans aus der Social-Media-Welt zusammenkommen – nur mit dem Unterschied, dass es auf der „Venus“ eindeutig und vorrangig um Sex geht.
Der Autor fühlte sich bei seinen Recherchen zeitweilig wie ein Ethnologe, der einem bislang unbekannten Volk auf die Spur gekommen ist; dabei sind die Amateure und Akteure der neuen Pornoindustrie jene ganz normalen Leute von nebenan, denen man alles Mögliche zutrauen würde, nur das nicht. Dabei ist dieses Ausblenden der Sexualität im Umgang mit unseren Mitmenschen doch nur ein Schutzmechanismus, um den sozialen Raum möglichst unbelastet von solchen intimen Anteilen zu halten. Natürlich sind nicht nur wir selbst, sondern auch unsere Nachbarn Menschen mit bestimmten sexuellen Vorlieben und Neigungen.
Jene Demokratisierung, die durch die „Amateurisierung“ der Pornografie mit Hilfe des Internets angeschoben wurde, greift auf der anderen Seite (der Konsumenten) ineinander mit einer freizügigeren Sexualität der Heranwachsenden. Doch bei dieser Behauptung handelt es sich natürlich um eine Pauschalisierung, die sogleich relativiert werden soll: In den letzten Jahren ist nämlich auf der anderen Seite auch ein ganz neuer Trend zurück zu mehr Treue und Keuschheit unter Jugendlichen zu beobachten. Lange Zeit wurde die Hauptursache für diese Entwicklung in einer bewussteren Auseinandersetzung mit dem eigenen Sexualverhalten in Zeiten von Aids gesehen; jedoch könnte es sich auch um ein ostentatives Gegenmodell zu einer bewusst frei ausgelebten Sexualität handeln, wie sie sich unter Anderem auch in diesen neuen amateurpornografischen Medien zeigt.
Die Grenzen zwischen Akteuren und Konsumenten verschwimmen und verschwinden. Sexfilmchen werden konsumiert und bilden nicht selten die Vorstufe zur eigenen Filmproduktion oder zur eigenen Beteiligung an solchen Filmchen als „User“, also als Kunde. Frauen und Männer (es sind jedoch auffallend viele Frauen unter den Akteuren) probieren sich aus, experimentieren mit verschiedenen Sexualpraktiken und leben eine neue Form der Sexualität, die d heimlichen und intimen Bereich des eigenen Schlafzimmers verlassen hat, um sich in neuen Räumen und Öffentlichkeiten zu präsentieren. Was vor einigen Jahren der Besuch von Swingerclubs war, ist heute die Verabredung zum Pornodreh mit Usern und Amateuren.
Fazit: Die Zeiten haben sich geändert und zwar grundlegend. In diesem Buch können sie es nachlesen und Mäuschen spielen bei den verschiedenen Formen der Internetpornografie und anderen Spielarten der gewerblichen Sexualität. Was Sie schon immer über die deutsche Sex-Branche 2017 wissen wollten, doch nie zu fragten wagten: Hier erfahren Sie es! „Drei Zimmer, Küche, Porno“ wird Ihnen die Augen öffnen über einen gesellschaftlichen Umbruch auf dem Gebiet der Sexualität, von dem Sie bislang vielleicht nicht einmal eine blasse Ahnung hatten. — Viel Spaß beim Lesen! Und kriegen Sie keine heißen Ohren!
Autor: Philip Siegel
Titel: „Drei Zimmer, Küche, Porno — Warum immer mehr Menschen in die Sex-Branche einsteigen“
Broschiert: 275 Seiten
Verlag: Campus Verlag
ISBN-10: 3593505843
ISBN-13: 978-3593505848