Volker Weidermann: „Dichter treffen — Begegnungen mit Autoren“

Volker Weidermann: „Dichter treffen — Begegnungen mit Autoren“Man kennt den Literaturwissenschaftler Volker Weidermann aufgrund seiner zahlreichen Publikationen zur deutschen Literaturgeschichte. Er arbeitete viele Jahre als Literaturredakteur und Feuilletonchef bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. 2015 wechselte er zum Spiegel; trotz dieses Wechsels zum Boulevard ist er nach wie vor eine wichtige Stimme der deutschen Literaturkritik. Seit Ende 2015 moderiert er auch die Neuauflage des Literarischen Quartetts im ZDF.

Das vorliegende Buch über seine Begegnungen mit Autoren schließt eine Lücke in seiner Publikationsliste. Das bei Kiepenheuer & Witsch erschienene Buch versammelt über 50 intime Portraits von Schriftstellern, denen Weidermann seit 2001 begegnet ist.

Im Vorwort betont der Autor, dass er diesen Schriftstellern bewusst nicht als Kritiker gegenübertrat, sondern als ein neugieriger Leser mit ihnen zusammentraf, als jemand, der von ihren texten begeistert war und wissen wollte, wie sie zustande kamen. Diese Neugier auf den Menschen hinter den Texten ist ansteckend.

Weidermann nimmt bewusst jene Haltung des interessierten Lesers ein, und so wird aus diesen Begegnungen kein Interview, kein Abarbeiten einer wie auch immer vorgefertigten Frageliste, sondern ein Zusammentreffen zweier Literaturbegeisterter. Ausgehend von einer solchen günstigen Konstellation, kann vieles entstehen, manchmal auch Unerwartetes.

Die Liste der Autoren, die Weidermann besuchte, ist bunt und schillernd: Sie reicht von Umberto Eco über Felicitas Hoppe bis zu Michel Houellebecq, von Walter Kempowski über Günter Grass bis zu Daniel Kehlmann, von Herta Müller über Fritz J. Raddatz bis zu Orhan Pamuk, von Johannes Mario Simmel bis zu Jonathan Franzen. Mit anderen Worten: Es ist für jeden Literatur-Geschmack etwas dabei.

Allen Portraits gemeinsam ist die rückhaltlose Offenheit, mit der Weidermann sich auf die jeweilige Atmosphäre einlässt und durch die erst jene vielschichtigen Gespräche entstehen können, die in diesem buch minutiös nachgezeichnet werden. Weidermann hat kein Aufzeichnungsgerät dabei, er schneidet nichts mit, schreibt sich während der Begegnungen nichts auf, sondern ruft sich das Treffen im Nachhinein in Erinnerung, wenn er seinen Text schreibt.

Diese Praktik des mnemetischen Schreibens ist verwandt mit jener des literarischen Schreibens. Insofern schließt sich auch hier eine Lücke, die bislang zwischen Weidermanns literaturkritischen Texten und seinen Ausflügen in die Literatur („Ostende: 1936, Sommer der Freundschaft“) klaffte. Diese feinfühligen und feingeistigen Schriftsteller-Portraits sind nicht nur für die Leser jener Autoren eine bereichernde Lektüre; sie werden vor allem auch für Leser mit eigenen literarischen Ambitionen viele inspirierende Momente und Anregungen bereithalten.

Kurzum: Wer sich dafür interessiert, welche Menschen hinter den Texten stehen, wie sie denken, fühlen und arbeiten, der kommt um diesen Band mit Autoren-Begegnungen der zeitgenössischen Literatur nicht herum. Solide gebunden und zu einem günstigen Preis, bietet diese Neuerscheinung alles, was der arrivierte Leser ersehnt: Informationen, Atmosphäre und Inspiration sowie jede Menge neuer Lektüreempfehlungen.

 

 

Autor: Volker Weidermann
Titel: „Dichter treffen — Begegnungen mit Autoren“
Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
ISBN-10: 3462048961
ISBN-13: 978-3462048964