Thomas Grundmann u. Achim Stephan (Hg.): “Welche und wie viele Flüchtlinge sollen wir aufnehmen? — Philosophische Essays“

Thomas Grundmann u. Achim Stephan (Hg.): “Welche und wie viele Flüchtlinge sollen wir aufnehmen? — Philosophische Essays“Mitte September 2015 fand in Osnabrück die GAP9, eine große Fachtagung für Analytische Philosophie, statt. Kurz zuvor hatte Bundeskanzlerin Merkel, anlässlich der katastrophalen Zustände in den Flüchtlingslagern an der ungarischen Grenze und auf der Balkanroute, ihren berühmten Satz („Wir schaffen das.“) ausgesprochen und die Grenzen für die mehr oder weniger unkontrollierte Einwanderung von Flüchtlingen geöffnet.

Diese historisch zu nennende Entwicklung ging auch an den Teilnehmern dieser philosophischen Fachtagung nicht spurlos vorüber, und so wurde kurzerhand und spontan das politische Tagesthema auf die Agenda der Tagung gesetzt. Sowohl der amtierende Präsident der GAP (Achim Stephan) als auch sein designierter Nachfolger (Thoms Grundmann) waren sich einig darüber, dass die Analytische Philosophie zu diesem gesellschaftspolitischen und eben auch fundamental philosophischen Thema der Migration nicht schweigen dürfe.

So entstand die spontane Idee, eine Preisfrage auszurufen: Welche und wie viele Flüchtlinge sollen wir aufnehmen? — Die von einer Jury ausgewählten besten Essays zu diesem Thema sollten in einer großen deutschsprachigen Zeitung abgedruckt werden. Eine Auswahl der gelungensten philosophischen Beiträge sollte auch in Buchform beim Reclam-Verlag erscheinen; und so entstand die Idee zu diesem Buch.

Den Essayisten wurde ganz bewusst keine bestimmte Perspektive zur Beantwortung der Frage vorgegeben; auf diese Weise sollte von Anfang an die Vielfalt der Stimmen und Standpunkte gewährleistet bleiben. Die in diesem Sammelband vereinten Essays geben ein starkes Zeugnis dieser Multiperspektivität ab.

Manch einer legte seinen Schwerpunkt auf den Sinn der Frage nach dem Unterschied zwischen einerseits politischen Verfolgten und Kriegsflüchtlingen und andererseits Armuts- und Klima-Flüchtlingen; andere Beiträger wieder konzentrieren sich auf Problematik von territorialen Aspekten (Herkunftsland) oder von kulturellen oder religiösen Differenzen. Auch die grundsätzliche Frage nach dem „Wir“ in der Preisfrage wurde thematisiert.

Diese zehn ausgewählten Essays zur Flüchtlingsproblematik zeigen deutlich, wie komplex sich das Phänomen der Migration (nicht nur, aber eben auch) aus philosophischer Sicht ist; und sie machen gleichzeitig klar, dass es niemals die eine richtige Antwort geben kann, sondern dass es gilt, jene gesamtgesellschaftliche Entwicklung in ihre Einzelteile aufzuspalten und die Thematik differenziert zu betrachten.

Eine solche differenzierte Betrachtung ist jedoch genau das, was Populisten und Nationalisten in unserem Land am meisten fürchten. Für sie sind klare Feindbilder das probate Mittel, den dumpfen Hass, die Angst vor dem Fremden und vor dem Verlust des eigenen sozialen Status´ in rechte Parolen und fremdenfeindlichen Protest zu verwandeln.

Die in diesem Buch versammelten Beiträge liefern die Grundlage für eine ausführliche und intensive philosophische Diskussion des Flüchtlingsthemas. Die Beiträger stammen durchweg aus dem akademischen Umfeld der Philosophie, sind wissenschaftliche Mitarbeiter oder Professoren, in einem Fall auch ein Master-Student der Philosophie. Ihre Stimmen für einen differenzierten und multiperspektivischen Umgang mit diesem fundamentalen Prozess gesellschaftlichen Wandels sollten nicht unerhört verklingen. Sie könnten die (philosophische) Grundlage für einen übergreifenden Diskurs der geisteswissenschaftlichen Disziplinen bilden, der den Wissenschaftsbetrieb wieder zurück an den Verhandlungstisch der gesellschaftlichen Realitäten und in Tuchfühlung mit dem Puls der Zeit bringt.

 

Autor: Thomas Grundmann u. Achim Stephan (Hg.)
Titel: “Welche und wie viele Flüchtlinge sollen wir aufnehmen? — Philosophische Essays“
Taschenbuch: 155 Seiten
Verlag: Reclam, Philipp, jun. GmbH, Verlag
ISBN-10: 3150110734
ISBN-13: 978-3150110737