1949 – 1989 – 2009. Dies sind die Stationen, die den Bogen der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland spannen, mit der sich Albrecht von Lucke in seinem neuen Buch „Die gefährdete Republik“ beschäftigt.
Ist auf dem Weg von Bonn nach Berlin die „Republik“ auf der Strecke geblieben? Wie verhält es sich mit den größten Errungenschaften der Bonner Republik: Verfassungspatriotismus und Entfeindung, nach außen und nach innen? Nach dem 09.11.1989 und 11.09.2001 erodieren die republikanischen Prinzipien, und das alte Freund-Feind-Denken feiert eine Renaissance. Mit der ökonomischen Krise schwinden nun auch der gesellschaftliche Zusammenhalt und damit die Zukunft unserer Demokratie.
Der Autor ist Jurist und Politikwissenschaftler und Redakteur der „Blätter für deutsche und internationale Politik“. In seinem bei Wagenbach erschienenen Buch geht er der Frage nach, ob der Bundesrepublik nach der Wende das Bundesrepublikanische abhanden gekommen ist.
Im Freudentaumel der Nachwendezeit und im gefühlsduseligen Hurra-Patriotismus der Wiedervereinigung machte sich landesweit eine seltsame Selbstvergessenheit breit, die den Weg bahnte für einen neuen Nationalstolz, der nicht nur aber vor allem in Ostdeutschland Fuß fasste und den Bürgern ein Stück nationaler Identität zurück gab, die durch den Zusammenbruch der DDR verloren gegangen war.
In den 1990er Jahren konsolidierte sich die neue, größere Bundesrepublik Deutschland als vollwertiger Staat von internationaler Bedeutung. Der in diesen ersten Jahren nach 1990 errungene Status als vollwertiges Nato-Mitglied, das pflichtbewusst seine neuen Aufgaben übernimmt, und der Umzug der Regierung nach Berlin sind nur zwei der Gründe für die Entwicklung eines neuen Nationalstolzes, der die Betonung eher auf „Deutschland“ als auf die „Bundesrepublik“ legte.
Der Verfassungspatriotismus der alten Bundesrepublik, als man stolz auf die eigene Verfassung und das freiheitliche Grundgesetz war, ist einem Patriotismus gewichen, der eher unreflektiert die eigene Nation gegenüber Feinden von außen wie innen zu verteidigen bereit ist – ein diffuser Patriotismus, der nicht genau weiß, wofür er steht, aber ganz genau, gegen wen er gerichtet ist.
Albrecht von Lucke geht auf knapp 100 Seiten der Frage nach, wie und wo uns das Bundesrepublikanische abhanden gekommen ist und welche Kräfte die Demokratie in unserem Land bedrohen.
Mit den Anschlägen vom 11. September 2001 kehren die Feindbilder ins politische Bewusstsein zurück. Was Deutschland seitdem erlebt, ist eine gezielte mentale Aufrüstung, und vor allem die Medien sind kräftig dabei, dieses neue Freund-Feind-Schema mit immer neuen Informationen zu nähren. Parallel kommt es innenpolitisch zu einer massiven Einschränkung der Bürgerrechte und einer ungebremsten Einflussnahme des Staates auf die Privatsphäre: Lauschangriff, Rasterfahndung und Vorrats-Datensicherung sind die Schlagwörter dieser Entwicklung der letzten Jahre.
Aber auch außenpolitisch spielt Deutschland heute in einer anderen Liga als noch zu Bonner Zeiten. Aktive Beteiligung deutscher Truppen an Kriegseinsätzen im Kosovo und jetzt in Afghanistan prägt nachhaltig das Bild des neuen Deutschlands, sowohl international als auch in den Köpfen der Bürger.
Die allgemeine Politikverdrossenheit der Bürger und das weit gehende Unverständnis der Jugend in Bezug auf den Sinn von Politik und politischem Handeln führen zu einer Banalisierung des Alltags und einer Abkoppelung der politischen Klasse von den Interessen der Bürger. Vielleicht ist gerade dieser Graben zwischen Politik und Gesellschaft die eigentliche Gefahr für unsere Demokratie. Das Auseinanderbrechen des gesellschaftlichen Zusammenhalts aufgrund der wirtschaftlichen Verwerfungen fördert diesen Prozess der Abkoppelung noch zusätzlich.
Albrecht von Lucke malt ein Bild unserer Gesellschaft und zeigt, wie sich die Republik in den letzten zwanzig Jahren gewandelt hat. Im September 2009 wird wieder gewählt, und die politische und wirtschaftliche Lage ist ernster als in all den Jahren zuvor. Wenn der Bürger nicht mehr klar erkennen kann, welche Partei welche Positionen vertritt und wenn alles austauschbar scheint, so ist die Demokratie in Gefahr, von rechts und von links angegriffen zu werden. Populistische Positionen werden verführerischer wirken als ein am Konsens und an der Tagespolitik orientiertes Parteiprogramm.
Der Autor schreibt: „Die Revitalisierung politischen Interesses muss bei der Frage nach den politischen Alternativen ansetzen. Genau hier aber liegt die zentrale Ursache für das Fehlen politischer Diskussionen in den vergangenen Jahren.“ Wenn alle Parteien immer nur um die Wählergunst einer diffusen Mitte buhlen und keine klaren Positionen beziehen, so wird alles austauschbar und beliebig.
Wollen wir hoffen, dass sich die Bürger der Bundesrepublik Deutschland wieder darauf besinnen, dass der eigene Standpunkt am besten in der Diskussion mit anderen gefunden werden kann, die ebenfalls eine klare Position verteidigen. In solch einem Klima des engagierten Meinungsaustausches lebt und gedeiht Demokratie.
Autor: Albrecht von Lucke
Titel: „Die gefährdete Republik. – Von Bonn nach Berlin. 1949 – 1989 – 2009“
Broschiert: 106 Seiten
Verlag: Wagenbach
ISBN: 3803126053
EAN: 978-3803126054