Erich Kästner: „Notabene 45 – Ein Tagebuch“

Erich Kästner: "Notabene 45 – Ein Tagebuch"Erich Kästner ist bekannt für seine spitze Zunge und seinen lakonischen Humor. Beides lässt er nicht nur in seinen zahlreichen Romanen, Erzählungen und Gedichten aufblitzen, sondern auch in seinen Tagebuchaufzeichnungen. Als einer, der dageblieben ist, als der Terror des Dritten Reiches die halbe Welt verwüstete, hat er in kleinen unauffälligen Kladden fleißig notiert, was er gesehen und erlebt hat.

Kästners Bücher landeten schon bald nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten auf den Scheiterhaufen der Bücherverbrennung im Mai 1933. Kästner schaute sich das Spektakel aus dem Hintergrund an; seitdem wusste er Bescheid, wie es um seine künstlerische Freiheit stand. Kurz darauf wurde ihm von oberster Ebene ein Schreibverbot erteilt. Seine Bücher konnten nur noch im Ausland publiziert werden.

Doch da standen ja noch die unverfänglichen blauen Blindbände in seinem Regal… Die Seiten waren leer, was ja auch normal ist: Schließlich sollen solche Blindbände ja nur einen Eindruck vom Umfang und Aussehen einer geplanten Publikation vermitteln. Und weil sie nun einmal da herumstanden, begann Kästner damit, in ihnen heimlich zu notieren, was ihn beschäftigte.

Unter dem Titel „Notabene 45“ veröffentlichte der Autor nur wenige Jahre nach Kriegsende Auszüge aus jenen Tagebüchern des Jahres 1945. Die Zeiten des Zusammenbruchs und der „Stunde Null“ in Deutschland sind auf diese Weise von einem stillen, aber genauen Beobachter festgehalten.

Erich Kästner zeichnet mit wenigen Worten ein detailscharfes Bild einer Zeit, die die Meisten von uns nicht selbst erlebt haben. Umso wichtiger ist der Bericht des Augenzeugen, der uns an seinen Erfahrungen und Gedanken, seinen Hoffnungen und Enttäuschungen teilhaben lässt. Kästner gelingt das Kunststück, uns mit seinem für seine Texte so typischen lakonischen Humor direkt anzusprechen und den Leser auf diese Weise direkt in jene bewegte Zeit zu versetzen, die durch das Wechselbad der Gefühle am Rande der bedrohten Existenz gekennzeichnet ist.

Besser als jedes Geschichtsbuch ist das Tagebuch in der Lage, den Leser in eine andere fremde Welt und Zeit zu entführen. Je besser und authentischer der Text geschrieben ist, desto leichter fällt die imaginäre Reise in jenes Land der Texte. Kästner ist ein Meister der knappen Sprache, die auch und gerade aufgrund ihrer Kürze umso direkter trifft. Kurzum: Wer wissen möchte, wie es sich anfühlte am Abend des Zweiten Weltkriegs, in der Stille des Friedens und in der Zeit der ersten Neuanfänge, der ist mit der Lektüre von „Notabene 45“ bestens beraten.

 

Autor: Erich Kästner
Titel: “Notabene 45 – Ein Tagebuch”
Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
Verlag: Atrium-Verlag, Hamburg
ISBN-10: 3855353867
ISBN-13: 978-3855353866