Pavel Kohout: „Die Schlinge“

Pavel Kohout: "Die Schlinge"Packend erzählt Pavel Kohout die Geschichte einer Frau zwischen zwei Männern. Die Geschichte einer Frau, die beide Männer liebt. Die Geschichte zweier Männer, die zunächst Rivalen, dann Freunde sind, und am Ende mit umgekehrten Vorzeichen wieder zu Rivalen werden.

Wir schreiben das Jahr 1948. Die Geschichte spielt in Prag, der Hauptstadt der jungen tschechischen Republik. Die kommunistische Partei hat die Führung im Staat übernommen, Ministerpräsident Klement Gottwald wird in Kürze die Macht komplett an sich reißen und der erste Staatspräsident der CSSR sein.

Die Partei drängt die Sozialdemokraten des Landes zur Zwangsvereinigung mit den Kommunisten. Einer der führenden Sozialdemokraten ist der Philosophie-Professor Felix Fischer, ein schlanker und charismatischer Sechziger, der dem gemäßigten Flügel der Partei vorsteht und bei der Vereinigung mit den Kommunisten nicht nur das gemeinsame Ziel des Sozialismus betonen, sondern auch demokratische Elemente in die neue Einheitspartei einfließen lassen möchte.

Felix Fischer ist verheiratet mit der 25 Jahre jüngeren, bekannten und erfolgreichen Schauspielerin Kamila Nostitzová, einer ehemaligen Studentin an seinem Lehrstuhl für Philosophie.

Der zweite Mann in dieser Geschichte ist der junge Kommunist Jan Soukup, der im Stil Majakowskijs feurige Arbeiterlyrik schreibt und schnell zu einem bekannten Dichter der jungen Republik wird. Die Leitung des Kulturressorts der Staatszeitung „Rudé právo“, seine Mitgliedschaft im Zentralkomitee der kommunistischen Partei und sein direkter Kontakt zu Felix Fischer lassen Jan Soukup zu einem idealen Mitarbeiter für die gerade im Aufbau befindliche Staatssicherheit werden.

Jan Soukup fühlt sich geehrt, ist begeistert von der Idee der Sicherung des sozialistischen Weges und unterschreibt sofort seine Beitrittserklärung.

Wegen seiner bekannten Verbindung zu Schauspielerin Kamila Nostitzová bekommt er den Decknamen „Kamil“. Dabei ahnt er noch nicht, dass sich in diesem Moment eine unsichtbare Schlinge um seinen Hals legt und er zu einem Spielball der verschiednen Machtinteressen werden wird.

Pavel Kohout versteht es meisterhaft, den Leser in diese vielschichtige Geschichte gegenseitiger Abhängigkeiten, gemeinsamer Hoffnungen und verblüffender Wendungen hinein zu ziehen. Die Geschichte beginnt mit dem ersten Wiedersehen von Jan und Kamila in einem Prager Kino. Es ist ein Wiedersehen nach über drei Jahren, und die Flamme der verloren geglaubten Liebe wird sogleich wieder entfacht.

Wirklich begonnen hatte alles bereits zehn Jahre früher, als 1938 Jan, der junge Student der Philosophie, sich heftige Rede-Duelle mit seinem bourgeoisen Professor Felix Fischer über die Zukunft der Gesellschaft lieferte.

In die fünf Jahre ältere Kamila verliebte er sich, als er sie das erste Mal auf der Bühne im Lucernasaal sah. Sie rezitierte mit ihrer zarten Alt-Stimme die Gedichte von Majakowskij. Sie rührte gleichzeitig sein Herz an und manifestierte mit ihrem Vortrag seine kommunistische Überzeugung.

Fortan schrieb er seine Gedichte nicht mehr im Stile Jessenins, sondern bemühte sich, den Ton Majakowskijs zu treffen. Mit Erfolg.

Als bekannt wird, dass gerade Kamila die Frau des sozialdemokratischen Professors Felix Fischer werden sollte, wird für Jan der Fakultätssaal zur Kampfarena. Bei den öffentlichen Disputen mit Fischer ging es Jan nicht nur um ein Streitgespräch über die politischen Fragen der Zeit, es waren auch immer öffentlich ausgetragene, verzweifelte Kämpfe um seine unerfüllte Liebe zu Kamila.

Dann kam der Krieg, die Besatzung durch die Deutschen, und im Juli 1944 bekam Jan den Einberufungsbefehl zum „Totaleinsatz“ im Deutschen Reich. Er kam als Arbeitssklave in die Rüstungsindustrie nach Dresden. Felix Fischer war noch rechtzeitig nach England emigriert und hatte sich, um seine Frau zu schützen, offiziell von Kamila geschieden.

Sie blieb in Prag, spielte weiter Theater bis zum Spielverbot und wurde 1944 ebenfalls zum Totaleinsatz nach Dresden verschleppt. Auf den Elbwiesen finden sich Kamila und Jan wieder und verbringen das halbe Jahr ihres Zwangsaufenthalts in Dresden als Liebespaar.

Anfang Februar 1945 wurden die beiden wieder getrennt. Alle Frauen des Lagers wurden aus Dresden evakuiert und in ein anderes Lager verlegt. Jan blieb in Dresden und überlebte die verheerenden Bombennächte nur knapp. Nach dem Krieg kehrte er in die elterliche Wohnung im Prager Arbeiterbezirk Karlín zurück. Fortan arbeitete er als Arbeiterdichter und Leiter des Jugendkaders beim Tschechischen Rundfunk.

Im Frühjahr 1948 finden die Wege der drei Protagonisten wieder zusammen. Jan ist inzwischen ins Zentralkomittee der kommunistischen Partei gewählt worden. Felix Fischer kehrte schnell aus dem englischen Exil zurück an die Seite der tschechischen Sozialdemokraten, und Kamila spielt wieder erfolgreich Theater.

Auf Drängen der Sowjets soll die Vereinigung der beiden sozialistischen Lager unter der Führung der Kommunisten vollzogen werden. Doch es gibt gerade bei den Sozialdemokraten Widerstände gegen die vorschnelle Bildung einer Einheitspartei. Felix Fischer könnte als Integrationsfigur zum Vermittler zwischen den zerstrittenen Parteiflügeln werden, doch diese Position macht ihn auch zur gefährdeten Person.

Jan Soukup wird nun durch seine Funktion bei den Kommunisten und seinen guten Kontakten zu Fischer und Kamila zur Schlüsselfigur in diesem Prozess.

Die Staatssicherheit gebraucht ihn für ihre Zwecke und hat bald nicht nur Jan, sondern auch Felix und Kamila mit ihren unsichtbaren Schlingen gefangen.

Pavel Kohout stößt seine drei Protagonisten in ein Wechselbad der Gefühle, von Hoffnung und Versagen, Liebe und Abhängigkeiten, Vertrauen und Enttäuschungen.

Der Leser hat in diesem Roman gleich drei unterschiedliche Charaktere zur Auswahl, mit denen er sich identifizieren und mit denen er bangen, hoffen und mitleiden kann. Auch das macht die Vielschichtigkeit und die Brillanz dieses Buches aus. Kohout versteht es meisterhaft, mit den Erwartungen des Lesers zu spielen und durch seinen Erzählstil eine Atmosphäre aufzubauen, die jene beklemmende Undurchsichtigkeit der Nachkriegsjahre einfängt, die die tschechische Gesellschaft während des Aufbaus des sozialistischen Systems gelähmt haben muss. Wie auf dem Buchcover, das die Prager Karlsbrücke im blaugrauen Morgennebel zeigt, so legt sich über die Personen dieser Geschichte, ihre Funktionen und wirklichen Motive ein dichter Nebel voller Ungewissheit.

Die Beklommenheit auslösende Szenerie, das Tempo der sich immer weiter zuspitzenden Ereignisse und die Verstrickungen der Protagonisten in dieses vielschichtige Netzwerk der Parteistrukturen, der Staatssicherheit und der Einzelinteressen machen „Die Schlinge“ zu einem packenden Polit-Thriller, der jedoch auf alle Knalleffekte verzichten kann, weil der Autor in brillanter Weise die psychologische Ebene der Geschichte betont. Das ist das eigentlich Meisterhafte an Kohouts neuem Roman.

„Die Schlinge“ ist eine fiktive Geschichte, die sich vor dem Hintergrund realer historischer Ereignisse abspielt. Pavel Kohout hat die politischen Ereignisse damals als Zwanzigjähriger miterlebt. Angesprochen auf eventuelle autobiografische Parallelen zwichen dem Protagonisten Jan Soukup und Pavel Kohout selbst, sagt er: „Ich habe mit dem Mann nichts zu tun, aber der Soukup gehört zu meiner Generation. Und diese Generation hat bis zu einem gewissen Punkt einen Weg beschritten, der ähnlich war. Bis zu dem Moment, wo man geglaubt hat, dass es eine gerechte Sache ist. In dem Moment, wo man festgestellt hat, es ist keiner, da haben sich die Wege getrennt. Einige konnten nicht dem Teufel widerstehen, und andere haben sich in eine Richtung gedreht, die dann mit dem Prager Frühling endete. Insoweit habe ich mit dem Jan Soukup nichts zu tun.

Allerdings sieht Kohout in der schonungslosen Offenlegung der Fehler von damals als eine Chance, die heutige Jugend vor einer Wiederholung der Geschichte und denselben Irrwegen zu bewahren: „Es ist unsere Pflicht zu versuchen, dies zu erklären. Deshalb schreibe ich seit vierzig, fünfzig Jahren über meinen Fall um zu erklären, wie es passieren kann, dass man guten Glaubens auf etwas reinfällt, was sich als Verbrechen entpuppt.

Pavel Kohout hat der Idee des Sozialismus bis heute nicht entsagt: „Ein Schriftsteller steht immer gewissermaßen automatisch links von der Mitte, weil er die Sache der Gerechtigkeit ernster nimmt als ein Banker.“ So hofft Kohout in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise auf die Lernfähigkeit der westlichen Demokratien und plädiert für einen „Kapitalismus mit einer starken sozialistischen Note“. Dies sei, in Anlehnung an die Forderung des „Prager Frühlings“ nach einem „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ eben ein „Kapitalismus mit menschlichem Antlitz„.

In seinem exklusiven Interview mit kulturbuchtipps gibt er Auskunft über die Entstehungsgeschichte und die Hintergründe seines neuen Romans und seine Pläne für die nächste Zukunft.

Pavel Kohout wurde 1928 in Prag geboren und ist international als Schriftsteller und Dramatiker bekannt. Als einer der Wortführer des „Prager Frühlings“ wurde er 1968 aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen und über zwanzig Jahre lang totgeschwiegen. Kohout war Mitverfasser der „Charta 77“ und wurde daraufhin 1979 aus der CSSR ausgebürgert. Heute lebt und arbeitet Pavel Kohout abwechselnd in Prag und Wien.

„Die Schlinge“ ist ein Geschichtsroman, eine Liebesgeschichte, die Geschichte einer Freundschaft und ein Lehrstück über die menschenverachtenden Machenschaften einer lediglich von ihren Machtinteressen geleiteten Gruppe von Funktionären. Ohne Zweifel gehört Kohouts neuer Roman zu den interessantesten Neuerscheinungen in diesem Herbst.

 

Autor: Pavel Kohout
Titel: „Die Schlinge“
Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
Verlag: Osburg Verlag
ISBN-10: 3940731269
ISBN-13: 978-3940731265

 

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