Erich Kästner: „Der Herr aus Glas – Erzählungen“

Erich Kästner: „Der Herr aus Glas - Erzählungen“Wenn man ein Buch von Erich Kästner in den Händen hält, kann man eigentlich nichts falsch machen: Wenn man es schon kennt, macht es Spaß, die Geschichten wieder und immer wieder aufs Neue zu lesen. Und wenn man das Buch noch nicht kennt, umso besser!

Trotzdem wird Kästner nach wie vor oft nur als ein Kinder- und Jugendbuch-Autor oder als Lyriker mit spitzer Feder wahrgenommen, was beides viel zu kurzgefasst ist. Denn der Mann war ein fleißiger Schreiber und hat neben seinen Gedichten, Kinderbüchern und Romanen eben auch einen ganzen Berg an Erzählungen geschrieben: 140 davon wurde veröffentlicht.

Jetzt hat der Schweizer Atrium-Verlag, der „Haus-Verlag“ Kästners, eine Auswahl der interessantesten Erzählungen unter dem geheimnisvollen Titel „Der Herr aus Glas“ veröffentlicht. Interessant sind diese Erzählungen nicht nur, weil sie die besten des Autors sind, sondern weil sie ihn als einen ungeheuer vielseitigen und zum Teil auch überraschenden Schriftsteller präsentieren.

Erzählungen, die später in den Romanen Kästners aufgingen, wurden explizit nicht berücksichtigt; es ist auch so schon genug Material vorhanden, um einen ansprechenden Sammelband mit Erzählungen zusammenzustellen. Kästner sah sich selbst als Gebrauchsschriftsteller, und diese produktive Haltung kommt in seinen vielen unterschiedlichen Erzählungen vielleicht am besten zum Ausdruck.

Die „kleine Form“ (Gedicht, Essay, Erzählung) bietet einem Schriftsteller immer auch die Gelegenheit zum Spiel und zum Experiment. Mit anderen Worten: Man kann sich mal ausprobieren, ohne gleich viel Zeit und Energie in ein Großprojekt, wie einen Roman, zu investieren. Diese Gelegenheit hat Kästner oft und ausgiebig genutzt.

Der Herausgeber Sven Hanuschek hat insgesamt 41 Erzählungen aus dem reichhaltigen Oeuvre des Meisters ausgewählt, die er, der Einfachheit halber, chronologisch ordnet. So kann man praktischerweise auch noch anhand jener Texte von 1923 – 1955 die literarische Entwicklung des Autors nachvollziehen, wobei schnell klar wird, dass es sich hier nicht um eine eigentliche Entwicklung des Schreibtalents handelt, da auch die frühen Texte schon den typisch lakonischen und ironischen Kästner-Sound haben, der für sein gesamtes Werk so charakteristisch ist.

„Der Herr aus Glas“ ist übrigens eine seltsame kleine Erzählung aus Kästners früher Schaffensphase, die erstmals 1923 in der Neuen Leipziger Zeitung erschien. Sie steht exemplarisch für all jene zahlreichen Reise-, Lügen- und Liebesgeschichten, die dieser schöne Sammelband erstmals wieder einer heutigen Leserschaft präsentiert. Lesen Sie Kästner, und Sie werden nicht nur ihren Spaß, sondern auch Ihren Freunden schon bald viele neue, aberwitzige Geschichten zu erzählen haben!

 

Autor: Erich Kästner
Titel: „Der Herr aus Glas – Erzählungen“
Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
Verlag: Atrium Zürich
ISBN-10: 3855354111
ISBN-13: 978-3855354115