Daniel Glattauer: „Die Wunderübung“

Daniel Glattauer: "Die Wunderübung"Geschichten von und mit Paartherapeuten scheinen zurzeit in Mode zu sein. Das Theaterstück „Die Wunderübung“ von Daniel Glattauer macht hier keine Ausnahme. Es geht um ein Ehepaar Anfang vierzig, das sich bei seiner ersten Sitzung einer beginnenden Paartherapie befindet. Der Therapeut, ein Herr Magister, scheint sehr erfahren, durchaus positiv gestimmt und relativ euneinfühlsam gut gelaunt. Das ändert sich im Laufe des Stücks noch, doch zunächst versucht er das zerstrittene Paar aus seiner Verkrampfung zu lösen und mit kleinen Übungen aus dem permanenten Gegeneinander wenigstens vorübergehend ein Miteinander und Füreinander zu machen. Dies gelingt ihm nur bedingt.

Nach der Pause wirkt der zuvor so auffallend gut gelaunte und aufgeräumte Therapeut seltsam abwesend und fahrig in seinen Antworten. Was passiert ist oder zu sein scheint, wird an dieser Stelle nicht verraten. Den psychologisch Geschulten mag der Terminus „paradoxe Intervention“ einen kleinen Hinweis geben. Aber soviel darf verraten werden: Die Handlung vollzieht nach der Pause eine radikale Wendung.

Glattauer bezeichnet sein kurzes Stück über das Scheitern und Gelingen von Paarbeziehungen eine „Komödie“. Darüber darf man sich streiten, darf auch anderer Ansicht sein. Natürlich gehörten zu einem klassischen Drama die entspechenden Elemente, wie die Hamartia des Helden, ein Zusammenbruch der gesicherten Verhältnisse usw. Und trotzdem fällt es schwer, diesen Ehestreit, der sich da über 100 Seiten im Taschenbuch entfaltet, der seine Bosheiten und Vorwürfen dem Leser entgegen schreit und die Leseluft verpestet, eine Komödie zu nennen.

Wer sich mit den Unbilden des ehelichen Lebens ein wenig auskennt, wer am eigenen Leibe erfahren hat, was es heißt, über längere Zeiten statt mit seinem geliebten Partner mit einem Streithahn (oder einer Streithenne) sein Dasein zu fristen, wem mit anderen Worten auch die schlechten Zeiten einer Ehe nicht unbekannt sind, der kann über solche Dialoge, wie sie in diesem Stück seitenweise ausgestoßen werden, nicht wirklich lachen.

Jedoch dass dem einfühlsamen (und nachfühlenden) Leser diese Zwistigkeiten derart nahegehen können, liegt an der Kompetenz und dem Talent des Autors! Glattauer hat eine ungewöhnlich scharfe Beobachtungsgabe, was die Dialoge seiner Protagonisten angeht. Fast könnte man meinen, er schreibt aus eigener Erfahrung? Bis auf ganz wenige Schwächen (wie z.B. der zur Zote gerateneden permanenten Wiederholung der Anrede des Therapeuten mit „Herr … äh … Magister“) ist der Text sehr konkret und realistisch geschrieben, entwickelt einen schönen Spannungsbogen und kommt auch am Ende genau auf den Punkt, die Pointe. Diese Pointe wiederum macht das ganze Stück (im doppelten Sinne) am Ende dann doch noch zu einer Komödie, und der Zuschauer darf, wie der Leser dieses Taschenbuches, schmunzelnd und kopfschüttelnd das Ganze ad acts legen und seines gewohnten Weges gehen.

Im Falle einer eskalierenden Ehekrise wird er sich bestens gewappnet in das partnerschaftliche Verhör einer Paartherapie zur Rettung seiner Ehe stürzen können, denn er hat ja schon als stiller Beisitzer an Daniel Glattauers „Wunderübung“ teilgenommen. Aber auch alle Anderen, die eine glückliche oder auch gar keine Ehe führen, werden sich bei der „Wunderübung“ gut amüsieren. Es ist ein schmales Büchlein und ein kurzes Stück, das erst Angst macht und dann Hoffnung und am Ende die Angst vor der Hoffnung auf die Möglichkeit eines neuen Anfangs in der Paarbeziehung nimmt.

 

Autor: Daniel Glattauer
Titel: Die Wunderübung
Taschenbuch: 112 Seiten
Verlag: Goldmann Verlag
ISBN-10: 3442482151
ISBN-13: 978-3442482153