Erich Kästner: Sonderbares vom Kurfürstendamm – Berliner Beobachtungen

Erich Kästner: Sonderbares vom KurfürstendammEs fällt nicht schwer, diesen Kästner zu lieben. Wo Kästner draufsteht, kann man nichts falsch machen. Vor allem ein weiterer Band in der scheinbar endlosen Reihe von Kompilationen Kästner´scher Texte, die regelmäßig aus den unergründlichen Tiefen der Archive vom Atrium-Verlag geborgen und als Schätze der Welt geschenkt werden, darf ungesehen als ein Juwel betrachtet und für die heimische Lektüre in den Warenkorb gelegt werden.

Ja, Kästner zu lesen, das ist ein Vergnügen, selbst wenn es auch in diesem Band mit sonderbaren Geschichten aus Berlin um ernste Dinge geht: um sehr ernste Dinge, wie die Bücherverbrennung im Mai 1933, an der Kästner unfreiwillig gleich im doppelten Sinne (persönlich als Zuschauer und in Form seiner Bücher, die Goebbels dem Feuer überantwortet). Aber solche Texte dürfen auch in einem Band mit Berliner Beobachtungen nicht fehlen, denn die Zeit von 33 bis 45 verbrachte Kästner nicht in der Emigration, sondern in Deutschland, die meiste Zeit davon in Berlin. Nach 1933 konnte er nicht mehr publizieren, was ihn jedoch nicht davon abhielt, weiterhin Texte zu schreiben, die später, nachdem der ganze großdeutsche Zauber endlich vorbei war, zum Teil auch veröffentlicht wurden.

Kästner war ein aufgeweckter Zeitgenosse, ein guter Beobachter und, wie es scheint, auch ein von Grund auf positiver, optimistischer Mensch, zumindest in seinen Texten. Das spiegelt sich in den meisten der hier versammelten Berlin-Texte wider. Wir finden viele Gedichte, auch kurze Auszüge aus seinen bekanntesten Romanen wie „Emil und die Detektive“ oder dem „Gang vor die Hunde“, wie der „Fabian“ ursprünglich hieß und vor einiger Zeit in der Originallänge wieder neu aufgelegt wurde. Die Textsammlung „Sonderbares vom Kurfürstendamm“ veröffentlicht aber auch erstmals wieder einige Artikel, die Kästner für verschiedene Tageszeitungen schrieb und in denen er über das Berliner Theater- und Nachtleben berichtet – wie immer auf seine ganz eigene Art und Weise.

Die Texte sind kurz und das Büchlein trotz seines festen Einbands leicht in der Hand zu halten. Somit ist dieser Kästner die ideale Gute-Nacht-Lektüre, nicht weil die in ihm versammelten Geschichten so langweilig sind, sondern weil sie mosaikartig das Bild einer schillernden und lebendigen Stadt und ihrer Kultur zeigen, die beide in dieser Form schon lange nicht mehr existieren. Es ist ein Blick in die Vergangenheit einer Metropole, die es nicht mehr gibt, auch wenn die Berliner von heute weiter verbissen an ihren Metropolenstatus glauben wollen. Doch mit Verbissenheit kommt man in der Welt nicht weiter. Aber das ist ein anderes Thema.

„Sonderbares vom Kurfürstendamm“ ist, wie alle anderen Bände dieser Reihe, selbstverständlich mit einem ausführlichen Anhang versehen, der nicht nur weitergehende Informationen zu den in den Texten erwähnten Personen und Orten gibt, sondern auch die jeweilige Erstveröffentlichung der Texte nachweist. Auf diese Weise sind die Atrium-Bücher selbst für den literaturwissenschaftlichen Gebrauch geeignet, was ein schöner Nebeneffekt ist. Alle anderen Leser dürfen es sich aber einfach nur gemütlich machen und mit Kästner in eine Welt abtauchen, die in vielen Punkten an unsere heutige Zeit erinnert, aber eben doch so ganz anders ist als die Jetztzeit. Lesen Sie Kästner und schauen Sie mit anderen Augen auf unsere Zeit!

 

Autor: Erich Kästner
Titel: Sonderbares vom Kurfürstendamm – Berliner Beobachtungen
Gebundene Ausgabe: 160 Seiten
Verlag: Atrium Zürich
ISBN-10: 3855354138
ISBN-13: 978-3855354139