Morgen am 17. Oktober 2013 vor 200 Jahren wurde Georg Bücher geboren. Die Kürze seines Lebens, das gerade einmal 23 Jahre währte und viel zu früh von einem schrecklichen Typhustod beendet wurde, steht im krassen Gegensatz zu der Bedeutung, die Georg Büchners Werk für die deutsche Literatur ausmacht. Der Autor der Theaterstücke, „Dantons Tod“, “Leonce und Lena“ und „Woyzeck“, der Erzählung „Lenz“ sowie der Verfasser der politischen Flugschrift des „Hessischen Landboten“ mit der berühmten Formel „Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“ war zeit seines Lebens ein Außenseiter, der radikaler und aufsässiger, romantischer und wilder als alle anderen deutschen Dichter Leben und Werk miteinander verband.
Georg Büchners 200. Geburtstag findet in den Medien große Aufmerksamkeit. Jeder Sender, der etwas auf sich hält und einen gewissen kulturellen Anspruch hat, bringt zu Büchners 200. Jubiläum Sondersendungen, Themenabende und Neuinszenierungen von Büchners Stücken. Natürlich sind auch die Biographen seit langem fleißig am Werke. Eine Biographie sei hier besonders herausgehoben und vorgestellt, weil sie sich deutlich von allen anderen abhebt: Hermann Kurzkes „Georg Büchner – Geschichte eines Genies“
Viele Biographen versuchen, die Lebensgeschichte eines Dichters auf eine Art und Weise zu erzählen, die Leben und Werk miteinander in Verbindung bringt und zeigt, wie sich beide gegenseitig beeinflussen. Nur selten gelingt dieses Vorhaben, ohne eine gewisse Künstlichkeit der Konstruktion erkennen zu lassen. Anders bei Hermann Kurzke: Der Autor ist das, was man einen literaturwissenschaftlichen Vollprofi nennen könnte. Als emeritierter Professor für Neuere deutsche Literatur der Universität Mainz und Autor zahlreicher Werke zur deutschen Literaturgeschichte sowie hochklassiger Biographien von Thomas Mann und Novalis hat sich Kurzke als Spezialist für diese Themenbereiche ausgewiesen. Dementsprechend sauber und umfassend ist diese neue Büchner-Biographie recherchiert und berücksichtigt auch die neueren Erkenntnisse der Büchner-Forschung.
Im Vergleich zu einer anderen Büchner-Biographie, die von Jan-Christoph Hauschild zu Beginn des Jahres im Hoffmann & Campe-Verlag erschienen ist, in der er seine Aufgabe vor allem in der Rekonstruktion des Lebens des Dichters sieht und dieses auch sehr spannend nacherzählt, geht Hermann Kurzkes Buch weit darüber hinaus und versucht, dem Leser in einem weiter gespannten Bogen auch die politischen und sozialen Verhältnisse jener Zeit nahe zu bringen und das dichterische Werk Büchners mit seinem Leben zu verknüpfen.
Außerdem sucht Kurzke als Literaturwissenschaftler immer die Nähe zur Literaturdebatte jener Zeit, zum Spannungsverhältnis von Romantik und Jungem Deutschland, und versucht dem Leser Georg Büchners Leben nicht losgelöst zu erzählen, sondern ihm immer auch den gesellschaftlichen Kontext und die Atmosphäre zu verdeutlichen, die das Leben und Schreiben in Zeiten der politischen Restauration ausmachten.
Georg Büchner studierte zunächst Medizin in Straßburg. Das politische Klima nach der französischen Juli-Revolution von 1830 war dort bedeutend freier als im heimischen Darmstadt. Die Zeit des Studiums übte direkten Einfluss auf sein Werk aus. Die Beschäftigung mit Medizin, Psychologie und Philosophie (in Straßburg und später in Gießen) spiegeln sich unter Anderem im „Woyzeck“ wie im „Lenz“ wider, während die frühen Erfahrungen politischer Freiheit während der Studienzeit in Frankreich zu einem starken politischen Bewusstsein führten, das sich in Büchners Engagement gegen die Ungleichheit und in seinem Einsatz für die Rechte der hessischen Landbevölkerung äußerten. In seinem „Hessischen Landboten“ rief er die Landbevölkerung unmissverständlich zur Revolution auf.
In direkter Folge musste Büchner nach Straßburg fliehen, weil er steckbrieflich gesucht wurde. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit arbeitete Büchner auch immer wieder als Naturforscher und Wissenschaftler. So erforschte er zum Beispiel das Nervensystem der Fische und vollendete seine Dissertation mit einer Abhandlung über das Nervensystem der Barbe.
Von Straßburg ging Georg Büchner nach Zürich, wo er zum Doktor der Philosophie ernannt wurde und als Privatdozent der Philosophischen Fakultät der Universität lehrte. Im Winter 1837 infizierte er sich mit Typhus und starb wenige Tage später.
Hermann Kurzke gelingt es mühelos, den Leser von der ersten Seite an zu fesseln. Obwohl man hier ein wirklich umfangreiches Buch von immerhin 591 Seiten vor sih hat, wird die Lektüre niemals langweilig. Die zahlreichen Abbildungen lockern die Biographie auf angenehme Weise auf, und die gewohnt erstklassige Qualität der Verarbeitung der Hardcover-Bände des C.H. Beck-Verlages sorgt dafür, dass man auch nach mehrmaliger Lektüre noch lange Zeit seine freude an dem Buch haben wird.
Mit einem über 60-seitigen Anhang versehen, zeigt diese Biographie Georg Büchners auch deutlich ihren wissenschaftlichen Anspruch. Es ist eine Kunst, derart viele Quellen und Informationen in eine gefällige und leicht zu konsumierende Form zu bringen, und Hermann Kurzke ist ein Meister dieser Kunst.
Somit gilt diesem Werk, das sich für lange Zeit als die Standard-Biographie Georg Büchners etablieren dürfte, meine uneingeschränkte Leseempfehlung.
Autor: Hermann Kurzke
Titel: „Georg Büchner – Geschichte eines Genies“
Verlag: C.H.Beck
ISBN-10: 3406644937
ISBN-13: 978-3406644931