Peter Singer: „Praktische Ethik“

Peter Singer: „Praktische Ethik“Seit Jahrzehnten gehört Peter Singer unbestritten zu den wichtigsten Philosophen unserer Zeit. Gleichwohl gehört er auch zu den am kontroversesten diskutierten. Sein Buch „Praktische Ethik“ (Practical Ethics) erschien erstmals im Jahre 1979 und gehört seitdem ebenfalls zu den Standardwerken der praktischen Philosophie.

Nun ist die dritte Auflage von Singers „Praktische Ethik“ in der deutschen Übersetzung bei Reclam erschienen. Für die neue Auflage wurde das Werk nicht nur grundlegend überarbeitet, sondern von Singer durch ein zusätzliches Kapitel über den Klimawandel erweitert.

Die „Praktische Ethik“ hält für den Leser auf über 560 Seiten ein umfassendes Kompendium des praktischen philosophischen Wissens bereit, wenn es um die Beantwortung aktueller Fragen der Gerechtigkeit, Freiheit, Moral, des Lebens und des menschlichen Verhaltens geht. Doch halt: Der Autor gibt weniger Antworten, als dass er die richtigen Fragen stellt und es dann dem Leser überlässt, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Was ein gutes philosophisches Werk ausmacht, sind die Schaffung einer Struktur, die Einkreisung des Themengebietes und die Sichtbarmachung der wichtigsten Kriterien, an denen entlang der lesende Philosoph (oder der philosophierende Leser) seine eigenen Argumentationsketten aufbauen kann.

Gibt es Gleichheit? Sind Tiere gleichberechtigt? Wann darf man Leben nehmen? Wie verhält es sich mit Abtreibung und mit Sterbehilfe? Wie gehen wir mit unserer Umwelt um? Haben wir eine Verantwortung dem Klima gegenüber? Wie moralisch sind Fernreisen? Welche Auswirkungen hat mein heutiges Verhalten für zukünftige Generationen? Was ist mit dem Müllproblem? Wie gehen wir mit dem Klimawandel um?

Wer wirklich auf der Suche nach gerechtfertigten Antworten ist, die sich nicht dem politischen Mainstream oder dem Diktat der Medien unterwerfen, sondern auf eigenen Gedanken zu den jeweiligen Themen basieren, der ist mit Peter Singers Standardwerk bestens beraten.

Leicht verständlich, brillant geschrieben und gut lesbar, dank der umfassenden Überarbeitung topaktuell und darüber hinaus auch noch unschlagbar preiswert. Das sind fünf der vielen guten Gründe, dieses Buch zu lesen und die eigenen Antworten zu wichtigen Fragen unserer Zeit daraus abzuleiten.

Doch bei der Lektüre ist auch Vorsicht geboten. Denn so sehr sich Singer für die Rechte der Tiere einsetzt, so fragwürdig sind seine extremen Positionen zum Umgang mit Neugeborenen und geistig Behinderten: Peter Singer versucht, den anthropozentrischen Blick und den „Speziesismus“ des Menschen zu überwinden und wählt zu diesem Zweck den Begriff der „Person“ als eines nicht nur zu Empfindungen und Leiden fähigen Wesens, sondern in der Person spiegeln sich u.a. auch Selbstbewusstsein, Zukunftsorientierung und die Fähigkeit zur Interaktion wider. Viele Tiere können das nach Singers Meinung; deshalb stehen ihnen wie den Menschen Rechte zu.

Neugeborene und geistig Behinderte sind noch nicht bzw. nicht mehr in der Lage, ein Bewusstsein ihrer selbst oder eine weiter reichende Zukunftsorientierung zu zeigen. Deshalb spricht ihnen Singer auch das unumschränkte Recht auf Leben ab. Abtreibung und Euthanasie sind für Singer demnach keine Handlungen, die gegen die Moral verstoßen…

Man sollte also Singers „Praktische Ethik“ als einen wichtigen und aktuellen Beitrag zur Ethikdebatte lesen, sich jederzeit seiner extremen Positionen im Rahmen einer utilitaristischen philosophie bewusst sein und jene Positionen einer kritischen Prüfung unterziehen. Dann wird man dieses Buch mit großem Gewinn lesen können.

 

Autor: Peter Singer
Titel: „Praktische Ethik“
Taschenbuch: 564 Seiten
Verlag: Reclam
ISBN-10: 3150189195
ISBN-13: 978-3150189191