250. Geburtstag von Jean Paul am 21. März 2013

Jean Paul Friedrich Richter (CC Wikimedia)Die Literaturwissenschaft teilt die Literaturgeschichte gewöhnlich in Epochen ein, um die Übersicht und die Zuordnung einzelner Autoren und Werke zu erleichtern. Für die Zeit um 1800 haben wir nach dem Sturm und Drang einerseits die Weimarer Klassik und andererseits die deutsche Romantik zu nennen, die vom Jungen Deutschland und dem Vormärz abgelöst werden.

Drei Schriftsteller werden in der Regel nicht zu jenen Epochen gezählt, weil ihr Werk und ihre Persönlichkeit zu einzigartig sind, als dass man sie nur einer einzigen Literaturströmung zuordnen könnte: das sind Heinrich von Kleist, Heinrich Heine – und Jean Paul.

Mehr noch als die beiden Vorgenannten ist Jean Paul ein Schriftsteller, der scheinbar quer zu allen Modeerscheinungen steht und dessen Werk in seiner Vielseitigkeit und Vielschichtigkeit zum Bedeutendsten und Interessantesten zählt, was die deutsche Literatur in den knapp 800 Jahren ihrer Geschichte hervorgebracht hat. zugleich gehören Jean Pauls Werke zu den unbekanntesten und am wenigsten gelesen deutschen Klassikern.

Am 21. März 2013 feiern wir Jean Pauls 250. Geburtstag. Doch wer war dieser Jean Paul, der eigentlich Johann Paul Friedrich Richter hieß? Vor 250 Jahren im kleinen oberfränkischen Wunsiedel geboren und 62 Jahre später in Bayreuth gestorben, kann man zurecht behaupten, dass Jean Paul sein Leben dem Schreiben gewidmet hat.

Sein Nachlass wird von der Staatsbibliothek Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz bewahrt. Mit ca. 40.000 Seiten gehört er zu den umfangreichsten aus der klassischen Literaturepoche. Nachdem Johann Paul zunächst von der Mutter zu einem Theologiestudium gedrängt wurde, brach er schon bald das ungeliebte Studium ab und widmete sich – für den Rest seines Lebens – dem Schreiben.

Der Erfolg gab ihm Recht. Nach anfänglichen Schwierigkeiten kam mit dem „Hesperus“ 1795 der große Durchbruch. Der Roman wurde der größte Erfolg seit Goethes „Werther“. Danach war Jean Paul zu einem eigenen Witz und mit den zum Teil sonderbaren Figuren seiner „zweiten Welt“ zu einem lebenden Klassiker der deutschen Literatur, wenngleich seine Werke in ihrer ausufernden Umfänglichkeit oft schwierig zu lesen waren und von vielen nicht verstanden wurden.

Jean Paul war in seinen Schriften ein aufmerksamer Beobachter und Kritiker seiner Zeit, der auch vor politischen und intellektuellen Auseinandersetzungen nicht zurückschreckte. Der 250. Geburtstag scheint ein guter Anlass, um sich endlich einmal an diesen Titan der deutschen Literatur heranzuwagen. „Titan“ ist auch der Titel eines großen Romans von Jean Paul, der jedoch nicht als Einstiegslektüre zu empfehlen ist.

Aus der Menge an Biographien, die zu Jean Pauls Jubiläum auf den Markt kommen, möchte ich zwei Titel herausgreifen. Da ist zunächst die bereits in den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammende, jetzt aber als völlig überarbeitete Neuauflage erschienene Biographie von Günter de Bruyn („Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter“). De Bruyn ist seit vielen, vielen Jahren als ein ausgezeichneter Schriftsteller bekannt, der sich überwiegend mit historischen Themen befasst. Vor allem die Zeit um 1800 hat es ihm angetan, und so sind von ihm viele wunderbare Biographien und Zeitbilder erschienen, die sich leicht lesen lassen und die Atmosphäre jener Zeit zu Leben erwecken.

So liest sich auch die Jean-Paul-Biographie de Bruyns wie ein Roman. Komplett überarbeitet und mit den neuesten Erkenntnissen der literaturwissenschaftlichen Forschung versehen, gibt „Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter“ von Günter Bruyn auf 346 Seiten einen leicht zu lesenden Einblick in die faszinierende Welt vor über 200 Jahren.

Eine zweite Biographie, die ganz neu auf den Büchermarkt getragen wird, ist Beatrix Langners „Jean Paul – Meister der zweiten Welt“, die bei C.H. Beck erschienen ist. Beatrix Langner hat in den letzten Jahren bereits viel gelobte Biographien von Adalbert von Chamisso und Friedrich Hölderlin geschrieben. Jetzt also Jean Paul als Meister der zweiten Welt auf über 600 Seiten.

Wenn man Günter de Bruyn als einen Autor schätzt, der die Kulturgeschichte einer Zeit in eine sehr edle und gefällige Form zu gießen und dem interessierten Leser vor allem die großen Zusammenhänge nahe zu bringen vermag, so ist Beatrix Langner in erster Linie eine literaturwissenschaftlich orientierte Schriftstellerin, die eine Beschreibung des Lebens immer auch mit den Werken und dem Schreibprozess verbindet.

Natürlich macht dies auch de Bruyn, allerdings nicht in dieser Ausführlichkeit wie Langner. Dass dabei das Leben und die Personen im Leben Jean Pauls nicht außer Acht bleiben, belegt das allein zehn eng beschriebene Seiten umfassende Personenregister im Anhang von Langners Biographie.

Die dritte Empfehlung für eine Biographie Jean Pauls ist natürlich seine – wie immer nicht ganz ernst zu nehmende – Autobiographie. die „Selberlebensbeschreibung“, die man u.a. bei ZENO online lesen kann.

Was ist also zu tun? Wo fängt man an? – Meine Empfehlung wäre zunächst die Biographie von Günter de Bruyn als Einstieg. 346 Seiten lesen sich schnell weg und geben einen hervorragenden Einstieg in Jean Pauls Leben. In einem zweiten Durchgang ist unbedingt Beatrix Langners umfassendere Biographie zu empfehlen – als begleitende Lektüre zu den Werken Jean Pauls selbst.

Wo wir gerade von den Werken Jean Pauls sprechen: Wo soll man hier anfangen? Liest man als Erstes am besten „Dr. Katzenbergers Badereise“, den „Hesperus“ oder die „Flegeljahre“, den „Titan“ oder auch „Quintus Fixlein“, „Siebenkäs“ oder „Die unsichtbare Loge“? Was ist als Einstiegslektüre zu empfehlen? Wie bekommt man einen vernünftigen Zugang zu diesem „schwierigen“ deutschen Klassiker?

Anstatt im Nebel zu stochern und sich von ansprechenden Buchcovern inspirieren zu lassen (eine Methode, die durchaus glücklich enden kann, aber nicht muss), kann man entweder mit einen der kurzen Texte Jean Pauls beginnen oder sich von einem neu erschienenen „Lesebuch“ inspirieren lassen. Beides sei hier in Kürze vorgestellt.

Das „Leben des vergnügten Schulmeisterleins Maria Wuz in Auenthal“ ist ein schmales (bei dtv in der „Bibliothek der Erstausgaben“ erschienenes) Bändchen mit 72 Seiten Originaltext sowie noch einmal so viele Seiten Als Anhang mit Kommentar, einem umfangreichen Glossar und mit Daten zu Leben und Werk Jean Pauls. Diese Totenrede auf den verschrobenen Maria Wuz bezeichnete Jean Paul als „eine Art Idylle“. Sie war als eine Art Bonus-Geschichte an Jean Pauls Roman „Die unsichtbare Loge“ angehängt und lässt sich sehr leicht lesen. Das Glossar gibt einen ersten Einblick in die Vielschichtigkeit von Jean Pauls Texten.

In der Reihe „Fischer Klassik“ ist zum 250. Geburtstag Jean Pauls ein von Kurt Wölfel herausgegebenes Lesebuch erschienen, das dem interessierten Leser wärmstens empfohlen sein soll. zunächst stellt sich die berechtigte Frage, wie man auf 460 Seiten einen Einstieg in das Werk eines Klassikers geben soll, der für den großen Umfang seiner Werke und für die Weitschweifigkeit seiner Beschreibungen des Seelenlebens seiner Protagonisten bekannt ist?

Wölfel betont in seinem Nachwort, dass sein Buch weder eine Anthologie noch eine Auswahl im sinne von „Das beste aus…“ sein will, sondern eben ein Lesebuch. Ein Lesebuch ist dazu da, „sich im Umgang mit unterschiedlichen Texten und Textarten zu üben“. Wölfel versteht sein Buch als ein „Angebot zur Einübung in die Fertigkeit eines kompetenten Jean Paul-Lesers“, der Lust und Liebe zu den Werken entwickelt. So sind in diesem ganz besonderen Lesebuch Vorreden, Romananfänge, Träume und Idyllen versammelt, und auch die oben erwähnte „Selberlebensbeschreibung“ ist in Wölfels Lesebuch abgedruckt.

Viel Stoff zum Lesen also. Das Werk Jean Pauls hat seine Rückkehr in das literarische Bewusstsein der Öffentlichkeit mehr als verdient. Vor über 200 Jahren verfasst, sind viele seiner Texte moderner, als es viele zeitgenössische Romane gern sein wollen. Jean Paul war ein Titan, ein viel gefeierter und selten gelesener Außenseiter, ein deutscher Klassiker, den es immer wieder und immer noch zu entdecken gilt. Jetzt ist die richtige Zeit gekommen, jetzt sind die richtigen Bücher und Biographien da – und wollen gelesen werden.

 


Günter de Bruyn: "Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter - Eine Biographie"Autor: Günter de Bruyn
Titel: „Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter – Eine Biographie“
Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
Verlag: S. Fischer
ISBN-10: 3100096444
ISBN-13: 978-3100096449

 


Beatrix Langner: "Jean Paul - Meister der zweiten Welt"Autor: Beatrix Langner
Titel: „Jean Paul – Meister der zweiten Welt“
Gebundene Ausgabe: 608 Seiten
Verlag: Beck
ISBN-10: 3406638171
ISBN-13: 978-3406638176

 


Jean Paul: „Leben des vergnügten Schulmeisterleins Maria Wuz in Auenthal“Autor: Jean Paul
Titel: „Leben des vergnügten Schulmeisterleins Maria Wuz in Auenthal“
Taschenbuch: 144 Seiten
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN-10: 3423026871
ISBN-13: 978-342302687

 


Kurt Wölfel (Hg.): "Jean Paul - Das große Lesebuch"Autor: Kurt Wölfel (Hg.)
Titel: „Jean Paul – Das große Lesebuch“
Taschenbuch: 464 Seiten
Verlag: FISCHER Taschenbuch; Auflage: 1 (21. Februar 2013)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3596904986
ISBN-13: 978-3596904983