Man kennt Werner Bartens als erfolgreichen Autor von medizinischen Sachbüchern. Seine Bücher gegen den Fitness- und Vorsorge-Wahn, über Gentechnik, Medizin-Irrtümer und Glücks-Medizin sind Bestseller. Hauptberuflich arbeitet der mit vielen Preisen ausgezeichnete Wissenschaftsjournalist als Leitender Redakteur des Ressorts Wissenschaft bei der Süddeutschen Zeitung.
Jetzt also ein Roman. Das ist nicht ganz so überraschend wie es zunächst scheint, wenn man sich mit der akademischen Laufbahn von Werner Bartens befasst: „Ich habe Medizin, Germanistik und Geschichte studiert“, erzählt er in unserem Gespräch auf der Leipziger Buchmesse. Der Wunsch, einen Roman zu schreiben, war immer schon da.
Die Geschichte ist schnell erzählt. Es geht um das Problem, mit dem die meisten Ehen früher oder später zu kämpfen haben: kein Sex. Aber bei Alex, dem Verhaltensforscher, und seiner Frau Clara, einer Ärztin, ist der Fall besonders knifflig:
Alex überträgt seine Forschungsergebnisse, die er bei der Beobachtung des Kopulationsverhaltens von Primaten gewinnt, 1:1 auf das menschliche Sexualverhalten, mit den zu erwartenden Schwierigkeiten; die Tatsache, dass seine Frau in ihrer Praxis als Urologin täglich alle Sorten männlicher Geschlechtsteile sieht und befühlt und mit allen Funktionen des menschlichen Unterleibs bestens vertraut ist, macht es auch nicht gerade leichter.
Beide leiden also unter einer ganz speziellen Art von berufsbedingter Komplizierung ihres ehelichen Sexualverhaltens. Das dies jedoch nicht so bleiben soll, ist beiden klar. Während Alex aktiv darüber nachdenkt, sich durch einen (oder mehrere) Seitensprünge selbst zu beweisen und sich seines Mannseins wieder sicherer zu werden, zieht Clara einen Vortragsabend bei dem Wunderheiler Raffael vor, der sich auf Konflikte in Paarbeziehungen spezialisiert hat. Dass beide Herangehensweise so ihre Tücken haben, ist aber ebenso klar.
Werner Bartens gelingt mit „Betrügen lernen“ eine leichtfüßige und unterhaltsame Geschichte, die man auch tragisch erzählen und ausgehen lassen könnte. Aber im Wunderland der Fiktion darf auch das Träumen nicht zu kurz kommen – wie übrigens auch in jeder Ehe oder langjährigen Partnerschaft. Die Geschichte geht gut aus, soviel sei hier schon verraten. Doch bis dahin müssen beide Protagonisten einige Hürden überwinden und über den eigenen Schatten springen.
Aber nur so geht es auch im richtigen Leben zu. Damit eine Ehe dauerhaft glücklich bleibt, müssen beide kräftig mit anpacken. Was wie eine Binsenweisheit klingt, ist alltäglich erfahrbare Wirklichkeit in jeder Partnerschaft. Ist das erste Feuer gelöscht, bleibt die Frage, ob genug Hitze im Holz bleibt, um einen leichten Schwelbrand über viele Jahre durch leichtes und regelmäßiges Pusten aufrecht zu erhalten. Manchmal braucht es auch ein Streichholz, um das Ehebett warm zu bekommen. Die Frage ist nur, wie man das Streichholz richtig hält, denn auch darauf kommt es natürlich an. Man kann nicht einfach das Verhalten der Paviane auf das eigene Verhalten übertragen, ohne Gefahr zu laufen, von der eigenen Frau für verrückt oder aufdringlich gehalten zu werden.
Missverständnisse sind zwischen Mann und Frau nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Was beim schlechten Einparken oder beim Nicht-nach-dem-Weg-Fragen noch witzig sein kann, wird spätestens im Bett zum echten Problem. Wie man von solchen Problemen jedoch lustig und in einer hübschen Geschichte erzählen kann, zeigt Werner Bartens in seinem Debüt.
Mit einer gehörigen Portion Selbstironie wird hier der ewig von sich selbst überzeugte und gleichzeitig immer zweifelnde Mann gezeigt, der die Flaute im Ehebett als eine Aufgabe sieht, die „man“ lösen kann und muss, während ihm seine Frau schon fast abhanden kommt, weil sie sich nicht mehr geliebt und begehrt fühlt.
„Betrügen lernen“ ist ein gelungener Ausflug in die Belletristik und könnte den Autor dazu verleiten, auf diese Weise noch weitere Geschichten erzählen zu wollen. Es wäre keine schlechte Entscheidung.
Das vollständige Interview mit Werner Bartens auf der Leipziger Buchmesse 2012 finden Sie hier.
Autor: Werner Bartens
Titel: “Betrügen lernen”
Broschiert: 224 Seiten
Verlag: Karl Blessing Verlag
ISBN-10: 389667465X
ISBN-13: 978-3896674654