Johannes Eisler kam als Sohn eines Philosophen und einer Fleischerstochter am 6. Juli 1898 in Leipzig zur Welt. Während er Vater Rudolf mit jenem dem Zeitgeschmack entsprechenden Abstand ehrte, stilisierte er zeitlebens die Mutter zur Arbeiterin hoch.
Seine Kindheit verbrachte Eisler in Wien. Schon bald erkannten die Eltern seine musikalischen Neigungen und förderten sie. Sein Vater spielte zu Hause Klavier und sang. Hanns Eisler erzählt, wie er schon frühzeitig mit dem Komponieren begann und das ernsthafte Studium der Musik aufnahm: „Mein Studium begann eigentlich, als ich mir mit 10 Jahren aus Reclams Universalbibliothek eine allgemeine Musiklehre von Herrmann Wolff kaufte […].“
Den Ersten Weltkrieg erlebte er als Soldat in den Jahren 1916-1917 in einem ungarischen Infanterieregiment. Die freie Zeit nutzte er zum Kompositionsstudium.
Nach dem Krieg wurde er Schüler von Arnold Schönberg. Die Zwölftonmusik Schönbergs faszinierte Eisler vom ersten Moment an. Während seiner Lehrzeit stand jedoch das Studium der klassischen Werke von Bach, Brahms und Beethoven auf dem Plan.
Die politischen Ereignisse in Russland, die Oktoberevolution und die Arbeiteraufstände in Deutschland beeindruckten den jungen Eisler stark. Die Geschwister Gerhart und Elfriede (die sich später Ruth Fischer nannte) übten hier eine starke Vorbildfunktion aus. Beide engagierten sich sehr früh in der neu gegründeten KPD. Ruth Fischer hatte die Mitgliedsnummer 1 und war sogar in den 1920er Jahren kurzzeitig die Vorsitzende der Partei.
Während seiner Lehrjahre hielt sich Eisler im Schönbergkreis auf. In diesem Rahmen lernte er auch seine erste Frau, die Sängerin Charlotte Demant, kennen.
Parallel zum Studium arbeite Eisler halbtags in einem Musikverlag und leitete zwei Arbeiterchöre.
Diese praktische Arbeit mit den Chören und an seinen Kompositionen führten zu einem Kunstverständnis, das sich mit dem des Meisters Schönberg nicht in Übereinstimmung bringen ließ. So kam es zwischen dem Lehrer Schönberg und dem Schüler Eisler bei aller fachlichen Anerkennung immer wieder zu Unstimmigkeiten, die einige Jahre später zum offenen Streit und zum Bruch zwischen den beiden Komponisten führen sollte. Arnold Schönberg war der Meinung: „Wenn es Kunst ist, dann ist es nicht für die Menge! Und wenn es für die Menge ist, dann ist es nicht Kunst!“
Eisler sah seine musikalische Aufgabe schon bald darin, eine künstlerisch anspruchsvolle Musik zu komponieren, die jedoch nicht nur von einigen wenigen Kunstverständigen angenommen wird, sondern auch den Massengeschmack trifft. Der Grundstein für eine neue Musikform war gelegt, und die Idee einer Arbeitermusik, die sowohl künstlerisch ansprechend, als auch politisch motivierend wirkt, war geboren.
Friederike Wißmann ist Musikwissenschaftlerin an der Goethe-Universität in Frankfurt. Sie hat die Eisler-Gesamtausgabe herausgegeben und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Leben und Werk von Hanns Eisler. „Er ist einfach eine faszinierende Persönlichkeit“, erklärte sie in unserem Gespräch auf der Leipziger Buchmesse.
In ihrem neuen Buch „Hanns Eisler – Komponist. Weltbürger. Revolutionär“, das soeben in der Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelmann erschienen ist, unter die Autorin den spannenden Versuch, Leben und Werk Hanns Eislers gegenüber zu stellen und das Leben aus dem Werk heraus zu erklären.
Wie Eislers Leben selbst, das von einem lebenslangen Kampf um eine politische Kunst und Musik für die Arbeiterklasse und durch die erzwungenen Jahre im Exil geprägt war, so wirkt auch Friederike Wißmanns Buch wie eine lebensgroß angelegte Montage.
1925 zogen Hanns Eisler und seine Frau Charlotte Demant nach Berlin. Hier konnte er schnell als Musiker und Komponist Arbeit finden. Auch in Berlin übernahm Eisler die Leitung von Arbeiterchören. Die politische Situation im Berlin der 1920er Jahre war unruhig und von heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der Nationalsozialisten und der Kommunisten geprägt.
Hanns Eislers Schwester verlor 1926 auf Anordnung der Moskauer Parteizentrale den Vorsitz der KPD und überwarf sich mit ihrem Bruder Gerhart, der weiterhin eine führende Stellung einnahm. Hanns Eisler selbst beantragte zwar ebenfalls 1926 die Mitgliedschaft in der KPD, wurde jedoch abgelehnt und verfolgte fortan diesen Antrag nicht weiter.
Auf musikalischer Ebene begann Hanns Eisler 1925 ernsthaft mit dem Gegenentwurf zum herkömmlichen bürgerlichen Konzertbetrieb. Sein op. 11 „Zeitungsausschnitte“ umfasste zehn Lieder, deren Textmaterial aus gewöhnlichen Tageszeitungen entnommen und danach ausgeschmückt worden war: Heiratsanzeigen, Kinderreime, das Liebeslied eines Grundbesitzers usw. –
1929 wurde Eislers einziger Sohn Georg geboren, und 1930 lernte Eisler zwei wichtige Persönlichkeiten kennen, die sein Leben, vor allem im musikalischen Sinne, stark beeinflussen sollten: Ernst Busch und Bertolt Brecht.
Ernst Busch, der als politischer Sänger und „Arbeiter-Tauber“ bereits einige Berühmtheit erlangt hatte, und Bertolt Brecht, der junge Schriftsteller und Stückeschreiber, der gerade mit seiner Dreigroschenoper große Erfolge feierte.
Das erste große gemeinsame Projekt war der Agitationsfilm „Kuhle Wampe“, der 1932 entstand. Fortan arbeiteten Brecht und Eisler eng zusammen und wurden zur treibenden Kraft des politischen Theaters.
Mit der Machtergreifung durch die Nazis ging Hanns Eisler 1933 ins Exil. Zunächst nach Dänemark, wo er weiter mit Bertolt Brecht zusammen arbeitete. Während dieser Zeit schrieb er unter Anderem die Musik zu Brechts Lehrstück „Die Spitzköpfe und die Rundköpfe“. Nach einem kurzen Aufenthalt 1937 in Spanien, wo er die kommunistischen Kämpfer im Spanischen Bürgerkrieg auch musikalisch unterstützte, emigrierte Eisler mit seiner neuen Frau Louise Jalesch in die USA.
1940 begann er die Arbeit am „Film Music Project“, 1941 komponierte er den Zyklus „14 Arten, den regen zu beschreiben“ und ab 1942 arbeitete er am
„Hollywooder Liederbuch“. Friederike Wißmann stellt auch diese kompositorischen Arbeiten in ihrem Buch vor, wobei es ihr gelingt, eine Sprache zu finden, die sowohl den interessierten Laien als auch den Musikexperten zufrieden stellen dürfte.
Überhaupt lebt ihr Buch von dem spannungsreichen Wechsel der Beschreibung des kompositorischen Werkes und des immer wieder von Brüchen durchzogenen Lebenswegs Hanns Eislers. Wie er zeitlebens nie zur Ruhe kam und immer den Eindruck eines Menschen auf Reisen machte, der nur einen vorüber gehenden und provisorischen Aufenthalt nimmt, so scheint auch Eislers musikalisches Werk von einer ständigen Aufbruchsstimmung und der ernsthaften Absicht einer künstlerischen Weiterentwicklung der Ausdrucksmöglichkeiten geprägt zu sein.
Nach Kriegsende wurde die Lage für die Exilanten zunehmend ungemütlich. Wer im Verdacht stand, kommunistischen Ideen nahe zu stehen, geriet schnell ins Visier des House on Un-American Activities Committee (HUAC). So erging es auch Bertolt Brecht und Hanns Eisler, die 1947 verhört, verurteilt und des Landes verwiesen wurden.
Trotz aller Proteste und Solidaritätskundgebungen amerikanischer Künstler musste Hanns Eisler im Frühjahr 1948 die USA verlassen und ging zunächst nach Wien.
1949 übersiedelte er in die frisch gegründete DDR, für die er auch die Nationalhymne schrieb.
In der DDR fand Eisler trotz aller Kritik, die er an den Verhältnissen im Lande und an der mangelhaften Umsetzung der sozialistischen Ideen äußerte, eine neue, auch politische Heimat. 1950 arbeitete er an der Komposition seiner Neuen Deutschen Volkslieder, die ganz im Sinne der DDR-Parteiführung das Fundament für ein modernes Liedgut legen sollten, das den Idealen des Sozialismus verpflichtet ist und gleichzeitig nicht völlig mit allen musikalischen Traditionen brechen muss.
1952 schrieb Hanns Eisler den „Johann Faustus“, der schnell auf die massive Kritik der Verantwortlichen stieß. Zusammen mit Brecht arbeitete er immer wieder eng am Text, wobei er sich auf alte Faust-Dichtungen und Puppenspiele bezieht und die Goethesche Faust-Adaption bewusst ausschließt. Die Faustus-Debatte in der DDR erinnerte Eisler an seine Erfahrungen bei den Verhören in den USA.
Die letzten Jahre waren geprägt durch die Heirat seiner dritten Frau Steffy Wolf und durch die geschwächte Gesundheit Hanns Eislers. Der erste Infarkt 1960 liegt zeitlich zwischen den beiden letzten großen Kompositionen, der Deutschen Sinfonie (1959) und den Ernsten Gesängen (1962). Im September 1962 starb Hanns Eisler nach einem zweiten Herzinfarkt und wurde auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Mitte in der Nähe von Bertolt Brecht und Helene Weigel beigesetzt.
Friederike Wißmann gelingt in ihrem Buch das Portrait eines faszinierenden Mannes, eine Komponisten und musikalischen Revolutionärs, der aufgrund seiner politischen Einstellung uns seiner jüdischen Wurzeln, für die er sich nie wirklich interessiert hatte, verfolgt wurde und emigrieren musste. So wurde er zwangsweise zum Weltbürger, der zwischen Wien und Berlin, Dänemark und Los Angeles hin und zurück getrieben wurde. Zeitlebens war Eisler ein Mann der Tat und der festen politischen Überzeugungen, für die er alle Mühen auf sich nahm.
In Ihrem Interview mit kulturbuchtipps erzählt Friederike Wißmann, warum die Persönlichkeit Hanns Eisler so faszinierend ist, wie sie auf die Idee zu diesem Buch kam und wie sie für ihr Buch recherchiert hat.
Lesen Sie Friederike Wißmanns spannende Lebens- und Werksbiografie über Hanns Eisler, einem der wichtigsten und interessantesten Komponisten des 20. Jahrhunderts.
Autor: Friederike Wißmann
Titel: „Hanns Eisler – Komponist. Weltbürger. Revolutionär.“
Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
Verlag: Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelsmann
ISBN-10: 3570580296
ISBN-13: 978-3570580295
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