„Das heile Haus“ ist ein wilder, zorniger Bericht aus dem letzten großen Krieg. Desillusioniert und gleichgültig nimmt der Ich-Erzähler an diesem Krieg teil. Er ist Partisan und unterscheidet nicht mehr zwischen töten und überleben, leben lassen und getötet werden. Alles ist gleich, und alles ist unwichtig. Der Tod hat seinen Schrecken verloren, und er kennt keine Angst mehr.
Lakonisch berichtet er, wie direkt neben ihm eine Bombe einschlägt oder wie er deutsche Soldaten aus dem Hinterhalt erschießt: „Sie krümmten sich wie Schmetterlinge, die aufgespießt werden, ich erstach sie mit einer zweihundert Meter langen Nadel.“
In den Wirren dieses umkämpften Ortes, der unbenannt bleibt – nur einmal fällt der Name Breslau – findet er ein unversehrtes Haus, das er für sich entdeckt. Alle Zimmer sind leer, weisen jedoch alle Anzeichen auf, dass bis vor kurzem hier noch jemand gewohnt hat. Allein ein einziges Zimmer ist und bleibt verschlossen.
Der Ich-Erzähler entledigt sich seiner Partisanen-Uniform und legt zivile Kleidung an. Der Krieg macht eine Pause oder besser: Er macht eine Pause vom Krieg.
Kurz darauf kommen Deutsche, die den Ort wieder für sich zurück erobert haben. Der Ich-Erzähler gibt sich als Hausherr aus und beherbergt die deutschen Offiziere.
Die Novelle endet nach nur hundert Seiten in einem beispiellosen und sinnlosen Gewaltexzess. Danach legt der Ich-Erzähler seine alte Uniform an und zieht wieder in den Krieg.
Willem Frederik Hermans gehört zu den ganz Großen der niederländischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Hier in Deutschland kennt ihn kaum einer, und das ist schade. Hermans war Jahrgang 1921 und hat den Krieg mit der deutschen Besatzung der Niederlande vom Anfang bis zum Ende miterlebt. „Das heile Haus“ schrieb er 1950 – also zu einer Zeit, als man vom Krieg und seinen düsteren und grausamen Geschichten überall die Nase voll hatte und sich lieber von zukunftsweisenden und positiven Inhalten unterhalten ließ.
Doch Willem Frederik Hermans legte mit „Het behouden huis“ ein Werk von geradezu existenzialistischer Sprengkraft vor und wurde zu einem Autor, der in der deutschsprachigen Literatur vielleicht nur in Wolfgang Borchert, der mit seinen lakonischen und düsteren Stücken der bundesdeutschen Nachkriegzeit den Spiegel vorhielt, einen ebenbürtigen Zeitgenossen fand.
„Das heile Haus“ ist ein schmales, aber sehr starkes Buch, das uns einmal mehr den Irrsinn des Krieges, jedes Krieges, klar macht und die menschlichen Abgründe und Gräueltaten aufzeigt, zu denen der Mensch unter unmenschlichen Bedingungen fähig ist.
Autor: Willem Frederik Hermans
Titel: „Das heile Haus“
Gebundene Ausgabe: 126 Seiten
Verlag: Aufbau Verlag
ISBN-10: 3351033656
ISBN-13: 978-3351033651