René Strien (Hg.).: „Verändert Euch! – Das Manifest zur Energiewende“

Ist die Farbe auch noch frisch, schon liegt die Streitschrift auf dem Tisch. – Vom Titel her angelehnt an die enorm populäre Streitschrift „Empört Euch!“ von Stéphane Hessel hat der Aufbau-Verlag im Eiltempo das Buch zur Energiewende auf den Markt geworfen: „Verändert Euch! – Das Manifest zur Energiewende“.

Ein Manifest sieht jedoch anders aus. Was uns hier als ein solches entgegen gehalten wird, entpuppt sich schnell als eine Kompilation von Texten, die irgendwie mit Atomenergie und mit der Energiewende zu tun haben. Die meisten Texte wurden zu anderen Anlässen veröffentlicht, aber das macht eigentlich auch wieder den Charme der Sammlung aus. Sie zeigt, dass die Wende in der Energiepolitik keine neue Erfindung der jetzigen Regierung ist, auch wenn die plötzliche Wende und der scheinbar durch das Unglück von Fukushima ausgelöste Gesinnungswandel von Angela Merkel schon bemerkenswert sind.

Der verlegerische Geschäftsführer des Aufbau-Verlags, René Strien, erklärt im Vorwort, welche Zielsetzungen man mit diesem Buch verfolgt: „Mit dem vorliegenden Manifest zur Energiewende wollen wir unvoreingenommene, über den Tag hinaus gültige Information zu den wesentlichen Aspekten dieses Themas liefern, über Lobbystrukturen, über in technischer und ökonomischer Hinsicht realistische Energiealternativen, über das Endlagerproblem, das politische System und seine notwendigen Veränderungen, über die nicht nur zu befürchtenden, sondern auch eingetretenen Unglücksfälle, über Gefährdungsaspekte aller, auch terroristischer Art, über Alternativen für den Einzelnen in Bewusstsein und Verhalten.

Dass das Buch bei all diesen Zielsetzungen nur 238 Seiten dick ist (inklusive Anhang), erfreut den Leser. Alles andere wäre eine maßlose Überforderung. Doch handelt es sich bei diesem Reader überhaupt um ein Manifest? Ist ein Manifest nicht eigentlich ein Programm, dem zu folgen ist, oder eine Streitschrift, die eine Veränderung einfordert?

Ein Manifest ist nach der Definition in „Meyers Konversationslexikon“ (Ausgabe 1908) eine „»Bekanntmachung« in feierlicher Form, insbes. öffentliche Erklärung einer Staatsregierung zur Rechtfertigung ihrer Handlungsweise, wie sie namentlich bei Eröffnung eines Krieges erlassen zu werden pflegt (Kriegsmanifest); wird auch auf andre öffentliche Kundgebungen an gewendet, wie man z. B. von einem Wahlmanifest, das eine politische Partei erläßt, spricht.

In diesem Sinne ist diese Textsammlung kein Manifest. Es trägt zwar den kämpferischen Titel „Verändert Euch!“ (wohl aus dem bereits oben spekulierten Grund der publikumswirksamen Vermarktung), aber das Buch beinhaltet weder ein Programm noch einen dezidierten Aufbruch zur Umkehr. Doch es versammelt eine hübsche und illustre Schar von Autoren, die alle ihren Beitrag leisten, auf diese Weise ein Bild vom aktuellen Zustand unserer Gesellschaft malen und uns zeigen, wo es lang geht.

Und so treibt uns Richard David Precht zunächst den Forschrittsglauben aus, und auch Friedrich Schorlemmer und Franz Alt sehen den Prometheus schon am Abgrund; Robert Misik fordert einen neuen Politiker-Typ, der veränderungsfähig und –willig ist und Günter Kunert erinnert sich an früher.

Im letzten Drittel des Buches wird’s dann sogar noch unterhaltsam mit Gayle Tufts und ihren Kindheitserinnerungen und wie die Amerikaner den Begriff „Meltdown“ in ihre Alltagssprache integrierten; die Journalistin Christiane Grefe zeigt schließlich, dass man nicht auf die großen Lösungen warten sollte, sondern einfach mal in der eigenen Region und auf der Kommunalebene schon viel bewegen kann, und Christine Anlauff startet gleich einmal einen „Selbstversuch“ in Sachen Energiewende.

Wenn man sich also nicht vom reißerischen Titel in die Irre führen lässt, sondern einfach einen interessanten und abwechslungsreichen Reader zum Thema Energiewende sucht, ist man mit „Verändert Euch! – Das Manifest zur Energiewende“ bestens bedient.

Viel Spaß beim Lesen. Am besten an gut beleuchteten Plätzen im öffentlichen Raum. Dann kann man zu Hause die Heizung abdrehen, das Licht ausschalten und die Katze an den Haken hängen. Oder so ähnlich. Denn die Energiewende fängt mit kleinen Schritten an.

Deshalb werden wir ab sofort auch die Rezensionen nur noch auf solarbetriebenen Computern in unbeheizten und unbeleuchteten Räumen schreiben und dabei das Atmen auf das Nötigste reduzieren. – Nein, war nur ein Witz. Aber irgendwo muss man ja anfangen, Energie zu sparen…

Autor: René Strien (Hg.)
Titel: „Verändert Euch! – Das Manifest zur Energiewende“
Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
Verlag: Aufbau Verlag
ISBN-10: 3351027427
ISBN-13: 978-3351027421