Vincent Delecroix: „Der Schuh auf dem Dach“

Vincent Delecroix: "Der Schuh auf dem Dach"Vincent Delecroix hat ein Buch über Schuhe geschrieben. In zehn Erzählungen landet irgendwie immer ein Schuh auf dem Dach, mal ein linker, mal ein rechter, aber immer nur ein Schuh. Vor allem aber endet nahezu jede einzelne Erzählung des Autors am Ende bei einem Schuh auf dem Dach.

Das Ganze wirkt reichlich konstruiert und erinnert an die Schreibaufgabe eines Seminars für Kreatives Schreiben: „Schreiben Sie doch mal eine Geschichte, in der ein Schuh die Hauptperson ist…“

Diese (selbst gestellte?) Aufgabe hat der Autor hübsch bewältigt. In den zehn kurzen Geschichten geht es um ein kleines Mädchen, das einen Engel gesehen haben will, einen Eremiten, einen alten Mann, der seinem Großneffen eine Geschichte erzählt, einen Ex-Mann, der dem neuen Mann seiner Frau den Schuh entwendet, einem weisen Hund, einer Bande von Kriminellen usw. – alles hübsch geschriebene Geschichten, die früher oder später auch immer um einen Schuh kreisen, der dann irgendwann auch auf irgendeinem Dach liegt.

Der geneigte Leser läst sich durch Delecroix’ gefälligen Schreibstil unterhalten, aber mit jeder weiteren Geschichte wächst die Unruhe und man fragt sich, was das alles soll. Warum lese ich dieses Buch? – Es gibt aber leider auch am Ende der 217 Seiten keine Aufklärung.

Delecroix beobachtet seine Charaktere sehr genau und schickt sie in seinen Kurzgeschichten in verschiedene Szenarien und wechselt auch gern die Erzählperspektive. Der Autor ist Soziologe und Philosoph, und vielleicht ist genau das sein Problem. Er beobachtet und philosophiert gern; aber manchmal ist es besser, wenn der Schuster bei seinen Leisten bleibt und dem Bäcker das Brötchenbacken überlässt…

Vincent Delecroix ist Franzose. Und so kann man ihm keinen Vorwurf daraus machen, dass er ein sehr französisches Buch geschrieben hat. Ähnlich wie bei französischen Kinofilmen schwebt über allem immer eine süßliche Melancholie, die Menschen nehmen sich selbst und ihre Gefühle sehr, sehr wichtig und bewegen sich in einem Kokon aus Weltschmerz und Selbstbezogenheit durchs Leben und durch die Geschichte.

Wer diese Art Filme mag, wird sich auch bei Vincent Delecroix wohl fühlen. Sein „Roman“, der eigentlich eine Aneinanderreihung von zehn Kurzgeschichten ist, ist sehr französisch, sehr nett und tut nicht weh. In Frankreich war der Titel ein Riesenerfolg, stand wochenlang auf der Bestsellerliste, und auch das sagt bereits einiges. Delecroix ist ein zeitgenössischer französischer Autor und mittlerweile ein fester Bestandteil des französischen Literaturbetriebs.

In seinen früheren Büchern, die in Deutschland noch nicht erschienen sind, geht es vor allem um Philosophie und immer um die Liebe. Mit seinem neuen Buch „Der Schuh auf dem Dach“ hat er ein angenehmes und leicht konsumierbares Buch geschrieben, das den Erwartungen der Leser offenbar voll entspricht.

 

Autor: Vincent Delecroix
Titel: „Der Schuh auf dem Dach“
Gebundene Ausgabe: 217 Seiten
Verlag: Ullstein Hardcover
ISBN-10: 3550087713
ISBN-13: 978-3550087714

 

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