Neue Bücher

Wer soll das alles lesen?? Bei weitem nicht alles, was gedruckt wird, lohnt die Lektüre. Und schon gar nicht ist ein Buch gut/interessant/lesenswert, nur weil es „neu“ ist! Das wusste auch schon Auguts Wilhelm Schlegel, der bereits 1802 ziemlich bissig über die Fülle der Neuerscheinungen urteilte … Ich betrachte es daher als eine wichtige kulturelle Aufgabe, die Spreu der Neuerscheinungen vom Weizen des Lesenwerten zu trennen und Ihnen hier die wichtigsten und lesenswerten Neuheiten auf dem deutschen Sachbuchmarkt vorzustellen.

Aktuelle Rezensionen:


Adam Soboczynski: „Die schonende Abwehr verliebter Frauen“

Die Kunst der Verstellung — diesem Thema widmet Adam Soboczynski diesen kleinen Lebensratgeber. Anhand von dreiunddreißig „Fallbeispielen“ führt der Autor den Leser in verschiedene Nuancen jener hohen Kunst der Verstellung ein, die uns in den Augen der Anderen zu angenehmen, liebenswerten, attraktiven und erfolgreichen Menschen machen kann.

Der natürliche erste Reflex mag für gewöhnlich darin bestehen zu bestreiten, dass man sich im normalen Leben verstelle bzw. verstellen müsste; der zweite Reflex darin, die Verstellung als Grundlage des eigenen Erfolgs abzustreiten. Schließlich wollen wir alle möglichst authentisch sein; Authentizität ist der neue Fetisch unserer Zeit.

Doch seien wir ehrlich mit uns und den Anderen: Würden wir uns nicht im sozialen Miteinander auf die eine oder andere Art verstellen, so wäre der Alltag für jeden von uns unglaublich anstrengend, äußerst ernüchternd und mitunter sogar lebensbedrohend: Indem wir nicht immer gleich und ungefiltert sagen, was wir denken, und indem wir uns nicht allein dem Willen unserer natürlichen Triebe hingeben, sondern unserem Handeln ein moralisches Korsett verordnen oder zumindest die eigene Kommunikation den gesellschaftlichen und kulturellen Standards anpassen, können wir uns alle in einem gemäßigten gesellschaftlichen Klima austauschen und unsere Ziele verfolgen, ohne einander über kurz oder lang die Köpfe einzuschlagen.


Christian Bommarius: „Im Rausch des Aufruhrs — Deutschland 1923“

Seit einigen Jahren lässt sich ein Sachbuch-Trend beobachten, den man „Jahrhundertbücher“ nennen könnte. Mit Sicherheit handelt es sich um keine neue Entwicklung; Bücher zu Jubiläen hat es immer gegeben: Festschriften, Jubeltexte und kritische Aufarbeitungen der Vergangenheit je nach Anlass und Absicht der Autoren.

Doch „gefühlt“ hat diese Jahrestags-Literatur in den vergangenen Jahren einen besonderen Aufschwung genommen, was vielleicht auch an der allgemeinen Faszination für die „Goldenen Zwanzigerjahre“, die ja so golden gar nicht waren, liegen mag. Nachdem das deutsche Kaiserreich der Leserschaft auf die Dauer vielleicht doch etwas zu fad geworden ist, steht nun endlich die Weimarer Republik im Fokus der allgemeinen Aufmerksamkeit! — Vor 100 Jahren …

Was waren das aber auch für tolle Jahre: Glitzernd, schillernd, halbseiden und verrucht, temporeich und lebenslustig — so sehen die 1920er Jahre in vielen Köpfen aus. Klischees sind langlebig und nur schwer aus den Köpfen zu kriegen, denn natürlich gab es „die“ Zwanzigerjahre ebenso wenig wie es „die“ 2020er Jahre gibt pauschalisierend gibt.

Um diesen Klischees entgegenzuwirken, bemühen sich Kulturwissenschaftler, Soziologen, Politikwissenschaftler und allen voran die Historiker, die Vergangenheit etwas differenzierter auszuleuchten und nicht auf die kontrastierende Wirkung von grellen Schlaglichtern zu vertrauen. Das interessierte Lesepublikum versteht und honoriert das; die Zeiten der vereinfachenden und holzschnittartigen Beschreibungen scheinen zum Glück vorüber, wenngleich es immer noch negative Beispiele aus jüngster Produktion gibt.

Mit dem vorliegenden Buch des Juristen, Journalisten und langjährigen Mitarbeiters der Berliner Zeitung Christian Bommarius haben wir ein positives Beispiel einer solchen Jubiläums-Literatur in der Hand.


Ulrike von Hirschhausen und Jörn Leonhard: „Empires — Eine globale Geschichte 1780-1920“

Eine Globalgeschichte der großen Reiche im „langen 19. Jahrhundert“ wäre vor einigen Jahren in dieser Form noch weitgehend unüblich gewesen. Zu sehr war der Blick der Historiker (wie auch der meisten anderen Geisteswissenschaftler) auf den europäischen Kontinent gerichtet; doch die Zeit des Eurozentrismus in den Wissenschaften scheint zum Glück endgültig hinter uns zu liegen; allseits versucht man nun beflissen, über den eurozentrischen Tellerrand hinauszublicken, und das ist gut so.

Zunächst erschien diese frühere Konzentration auf den europäischen Raum gleich aus mehreren Gründen plausibel und „natürlich“: Europäische Geschichte wurde in erster Linie als Nationalgeschichte be- und geschrieben, ein Erbe des 19. Jahrhunderts, in dem das nationalstaatliche Konzept zur Etablierung und Konsolidierung von Bemühungen nationaler Identitätsfindung priorisiert wurde; auf diese Weise wurden nationalistische Geschichtserzählungen bevorzugt — zu Lasten einer gesamteuropäischen Perspektive. — Eine Steigerung jener nationalgeschichtlichen Bestrebungen fanden im Personenkult des Historismus ihren Ausdruck: In dicken Folianten wurden hier der einzigartige Genius und die historische Bedeutung berühmter Persönlichkeiten für den „Gang der Geschichte“ herausgestellt; in den allermeisten Fällen waren es alte weiße Männer, die hier zwischen zwei Buchdeckeln zur Ehrung gelangten. Historismus und National-Geschichtsschreibung waren immer auch Zeugnisse einer „Geschichte von oben“, einer Herrschafts-Geschichte, in der das „gemeine Volk“ und die Besiegten bestenfalls am Rande Erwähnung fanden.


Nadia Durrani u. Brian Fagan: „Was im Bett geschah — Eine horizontale Geschichte der Menschheit“

Die meisten von uns betrachten das Bett als einen sicheren Ort der Ruhe und Erholung. Hier passiert in der Regel nichts — zumindest nichts, was die Welt aus den Angeln heben könnte. Doch weit gefehlt! Verändert man die Perspektive und nimmt die gesamte Menschheitsgeschichte in den Blick, so wird man schnell auf einige historische Bettszenen stoßen, die die Welt veränderten.

Um es gleich vorwegzusagen: Dieses Buch bietet eine äußerst unterhaltsame und anregende Lektüre und ist daher zwar auch für die Bett-Lektüre geeignet; eine horizontale Lagerung des Lesenden ist jedoch nicht zwingend erforderlich.

Der Titel des Buches verspricht eine horizontale Reise durch die Weltgeschichte, und so ist es auch folgerichtig, dass sich die beiden Autoren zunächst mit dem „Bett“ als zentralen Ort jener Menschheitsgeschichte beschäftigen:

Was ist ein Bett? Wie und wo hat der Mensch angefangen, sich einen sicheren Platz für die Nacht zu schaffen? Wer hat wie, wo und wann geschlafen? Schlief man allein, zu zweit, zu vielen?


Harald Welzer: „Zeitenende – Politik ohne Leitbild – Gesellschaft in Gefahr“

Befindet sich unsere Demokratie in einer Krise? Hat die Politik längst in den Krisenmodus geschaltet? Wer ist schuld an dieser Krise? Ist es die Politik? Sind es die Politiker? Oder sind wir selbst die Schuldigen? Mit anderen Worten: Steckt der Westen in einer Krise, ist sie vorübergehend oder tief und lebensbedrohend, ist der Westen gar am Ende? Wie könnte ein Ausweg aussehen? Wo findet sich eine Lösung — nicht nur für die aktuellen politischen Probleme, von denen es ja genügend gibt — Krieg, Klima, Konjunktur (…)? — Auf all diese Fragen hat unsere Politik anscheinend keine Antworten parat und ist scheinbar in vielen Bereichen so sehr mit sich selbst beschäftigt, mit kleinen Grabenkämpfen, Streitigkeiten um die Finanztöpfe, um Klimaziele und Schuldenbremsen, Kinderarmut und Fachkräftemangel, Inflation und Rezession, vor allem aber um die eigenen Befindlichkeiten. Dieser permanente Konfliktmodus bremst Entscheidungen und lässt vor allem eine große Leitlinie, ein politisches Ziel vermissen und erweckt den Eindruck, als stünde sich die Politik in erster Linie selbst im Wege. Das alles macht politische Prozesse intransparent und führt letztenden Ende dazu, dass sich viele Menschen längst von der Politik abgewendet haben und „denen da oben“ immer weniger zutrauen.

Vor vielen Jahren sprach man bereits von Politikverdrossenheit, es ist beileibe kein neues Phänomen. Man ahnte, dass es der demokratischen Landschaft auf Dauer nicht guttut, wenn sich die Politik ohne Profil und ohne Leitbilder nur noch den Tagesthemen zuwendet und zusieht, dass der Laden irgendwie weiterläuft.


Erich Kästner: „Das ist Berlin! – Erich Kästner und seine Stadt“

Da liegt es nach dem Auspacken plötzlich vor einem auf dem Tisch. Was für ein hübsches kleines Buch! Es fesselt den Blick durch die wunderbare Fotografie aus den 1920er Jahren; die Reproduktionist gestochen scharf und zeigt das Berlin der wilden Zwanziger – nein, nicht von heute,sondern von damals, vor 100 Jahren.

Das kleine Büchlein erfreut durch beste Verarbeitung; es ist fest gebunden und wirkt qualitativ hochwertig, wie man es vom Atrium-Verlag gewohnt ist.

Es geht in diesem Buch um Berlin – logisch. Es versammelt kürzere Texte oder Auszüge, Gedichte und Notizen Kästners über seine Stadt, sein Berlin.


Theodore Papakostas: „Wie ich in den Fahrstuhl stieg und in der Antike landete“

Der Sommer 2023 scheint ein Sommer der schreibenden Archäologen zu sein. Nun macht bekanntermaßen eine Schwalbe noch keinen Sommer, aber auf dem deutschen Buchmarkt fliegen zumindest zwei hübsche Schwälbchen durch den blauen Bücherhimmel: Die eine ist das wunderschöne und lehrreiche, spannend geschriebene und interessante Einblicke in den Alltag eines Archäologenleben gewährende Buch von Gabriel Zuchtriegel über seine Arbeit in Pompeji (Gabriel Zuchtriegel: „Vom Zauber des Untergangs — Was Pompeji über uns erzählt“). Das andere Buch soll hier im Folgenden vorgestellt werden:

 


 

Lothar Semmel (Hg.): „Willy Pragher — Weltstadt am Abgrund — Berlin in Fotografien 1926-1939“

Willy Pragher war ein Fotograf, der in den späten 1920er Jahren und während des Dritten Reiches in Berlin eine bedeutende Rolle spielte. Sein Werk als Stadtbildfotograf fängt nicht nur die architektonische Schönheit der Stadt ein, sondern spiegelt auch die sozialen und politischen Veränderungen dieser Zeit wider.


Jens Wietschorke: „Wien – Berlin. Wo die Moderne erfunden wurde“

Das Spannungsverhältnis zwischen Wien und Berlin um 1900 ist ein faszinierendes Kapitel in der Geschichte der europäischen Kultur. Beide Städte standen zu dieser Zeit im Mittelpunkt intensiver Modernisierungsprozesse, die die Gesellschaften grundlegend veränderten. Wien, die prächtige Hauptstadt der Donaumonarchie, und Berlin, aufstrebendes Zentrum des Deutschen Kaiserreichs, waren Schauplätze einer kulturellen Auseinandersetzung, die von Rivalität, Innovation und Wettbewerb geprägt war.


Marcellinus Prien und Lothar Uebel: „Berliner Elefantenmarke – Die Geschichte der Likörfabrik Mampe“

Alles begann in Pommern vor fast zweihundert Jahren. Der praktische Arzt und Preußische Geheime Sanitätsrat Dr. Carl Friedrich Mampe war sich sicher, ein probates Mittelchen gegen die gerade mal wieder in Preußen wütende Cholera gefunden zu haben. Seine Bitteren Tropfen hatten alles, was es zu einer perfekten Medizin brauchte: die fachliche Expertise (Stichwort: Sanitätsrat!), sie schmeckten bitter, wie jede gute Medizin, und sie kamen zur rechten Zeit am richtigen Ort zur Welt.

Obwohl ihre Wirksamkeit gegen die Cholera niemals wirklich medizinisch bewiesen werden konnte, verkauften sich Dr. Mampes Bittere Tropfen, wie sie schon bald hießen, bestens, so dass sich schon wenige Jahre später die beiden Halbbrüder Carls mit dem überlieferten Geheimrezept anschickten, die Tropfen und andere Destillate gewinnbringend und im großen Stil zu verkaufen.


Uwe Wittstock: „Februar 33 – Der Winter der Literatur“

Um es gleich zu Beginn zu sagen: Es ist keine schöne Lektüre, aber wie sollte es auch anders ein?! — Denn der Zeitabschnitt,  um den es in diesem Buch geht — der erste Monat nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 –, war auch ein Monat, in dem sich die gesellschaftlichen Verhältnisse in einem solchen Tempo veränderten, dass es vielen Zeitgenossen schwerfiel, mit diesem Tempo mitzukommen.

Nun ist das Ganze 90 Jahre her (Februar 2023), und immer noch betrachten viele von uns die „Nazizeit“ als „lange her“ und als ein abgeschlossenes Kapitel der Weltgeschichte. — Lange her? Ja, das ist richtig. Aber dass der Nationalsozialismus und auch ein radikaler Nationalismus auch in Zeiten der EU keinesfalls eine „abgeschlossene“ Geschichte zu sein scheint, zeigen leider auch die jüngsten Wahlerfolge rechter Parteien in unseren Nachbarländern.


Henriette Hell: „Lust: Fuckability, Orgasm-Gap und #metoo“

Ein Buch über Lust? — Das macht neugierig, und in der Tat wird der/die/das lesende Subjekt auch nicht enttäuscht. „Lust“ von Henriette Hell beschäftigt sich mit der „schönsten Todsünde“, wie der Philosoph Simon Blackburn die Wollust bezeichnete. Es geht „Fuckability, Orgasm-Gap und #metoo“, wie es etwas reißerisch im Untertitel heißt. Aber es wird nicht zu viel versprochen, denn alles kommt zur Sprache.


Rebekka Reinhard: „Die Zentrale der Zuständigkeiten — 20 Überlebensstrategien für Frauen zwischen Wollen, Sollen und Müssen“

Die Philosophin Rebekka Reinhard ist seit Langem eine wichtige Größe im öffentlichen Diskurs, wenn es um Fragen der praktischen Philosophie, der Lebensgestaltung und — nicht zuletzt — der Gleichberechtigung und Gendergerechtigkeit.

Bereits vor sieben Jahren hat sich die Autorin mit ihrem Buch „Kleine Philosophie der Macht (nur für Frauen)“ ausführlich und erfrischend undogmatisch mit den Problemen auf dem Weg zu einer gendergerechteren Gesellschaft beschäftigt und kreative Lösungen entwickelt.


Walter Püschel (Hg.): „‘Ick bin Max Liebermann. Det is jenug!‘ — Anekdoten“

Im Eulenspiegel-Verlag sind schon viele kleine Büchlein mit Ankedoten von berühmtenMenschen erschienen — Friedrich derGroße, die Humboldts, Fürst Pückler, Theodor Fontane … —, allesamt sehr unterhaltsam und eine vergnügliche Lektüre garantierend; doch jetzt hat der Verlag eine wirklich hervorragende Wahl getroffen und Anekdoten von und über Max Liebermann, zusammen getragen und ediert von Walter Püschel, veröffentlicht.

Max Liebermann, der Berliner Maler par excellence, 1847 als Sohn eines jüdischen Fabrikanten in eine gesicherte bürgerliche Existenz hineingeboren, Malerstudent der französischen Impressionisten, ab 1897 Professor an der Königlichen Akademie der Künste (…)


Edmund Edel: „Berlin W.- Ein paar Kapitel von der Oberfläche“

Der Nicht-Berliner verbindet mit Berlin wahrscheinlich das Brandenburger Tor, die internationale Party-Szene, den Alexanderplatz und natürlich den Kurfürstendamm. Dass der Kurfürstendamm aber nicht schon immer und ganz selbstverständlich zu Berlin gehörte, sondern erst vor gut hundert Jahren zum zentralen Boulevard des neuen Berliner Westens wurde, ist selbst so manchem Berliner gar nicht so bekannt.

Wir Heutigen nehmen Berlin, die Stadt mit den vielen Zentren, einfach so hin, wie wir es kennen. Dabei ist Berlin (Groß-Berlin) das Ergebnis eines Verwaltungsvorgangs, der 1920, also vor ziemlich genau hundert Jahren, verordnet wurde, und der Kurfürstendamm mit seinen mondänen Stadtvillen entstand auch erst in den 1880er Jahren.


Erich Kästner: „Das Märchen vom Glück“

Viele LeserInnen dürften in ihrer Kindheit mit Büchern von Erich Kästner in Berührung gekommen sein: „Emil und die Detektive“, Pünktchen und Anton“, „Das doppelte Lottchen“, „Der 35. Mai“, „Das fliegende Klassenzimmer“ und „Die Konferenz der Tiere“ gehören längst zu den Kinderbuch-Klassikern. — Die Erwachsenen werden vor allem vom „Fabian“ zumindest mal gehört haben, nicht zu vergessen die lyrischen Frühwerke „Herz auf Taille“ oder natürlich „Dr. Kästners lyrische Hausapotheke“!

Es wäre falsch, Kästner als reinen Kinderbuchautor zu bezeichnen, aber eine kindliche, verspielte Sicht auf die Welt hat er sich bis ins hohe Alter bewahrt.


Felix Kucher: „Vegetarianer“

Ende des 19. Jahrhunderts begann eine Vielzahl unterschiedlichster sozialer Bewegungen zu formen, die später unter dem Sammelbegriff Lebensreformbewegung zu einer scheinbaren Einheit fanden. Ihnen allen gemeinsam war die Sehnsucht nach einer natürlicheren Lebensweise und die Suche nach Antworten auf die offensichtlichen Nachteile der neu entstanden Massengesellschaft im Zuge der Industrialisierung und Urbanisierung.

Das Leben in den aus allen Nähten platzenden Städten, die trotz allem technischen Fortschritt für die große Mehrheit ihrer Bewohner durch Überbevölkerung, Wohnungselend, mangelnde hygienische Verhältnisse, Lärm, Dreck und Verschmutzung zu einer unübersehbaren Belastung geworden sind, verlangte nach Alternativen, nach Neuorientierung und Neuanfang.


Christine Olderdissen: „Genderleicht — Wie Sprache für alle elegant gelingt“

Wer in und für die Öffentlichkeit schreibt, kennt das Problem einer gendergerechten Sprache. Seit Jahren sind Menschen der schreibenden Zunft mehr oder weniger deutlich dazu angehalten, der real existierenden Diversität in unserer Gesellschaft einen adäquaten sprachlichen Ausdruck zu verleihen.

Ein Sprachgebrauch, der kein Geschlecht bevorzugt und somit möglichst allen Varianten und Zwischenstufen gerecht wird, sollte für uns alle ein erstrebenswertes Ziel sein; eine genderleichte Sprache hat somit ihre Berechtigung.

Das vorliegende Buch der Juristin(!) Christine Olderdissen trägt den schönen und verheißungsvollen Titel „Genderleicht“ nicht ohne Grund. Auf der gleichnamigen Website (genderleicht.de), ein Projekt des Journalistinnenbundes und gefördert vom BMFSFJ, gibt allen Schreibenden wertvolle Tipps und Tricks an die Hand, wie mit ein wenig Nachdenken eine Gendergerechtigkeit in den eigenen Text kommt.


Harald Welzer: „Nachruf auf mich selbst“

Es ist schon oft und viel (auch an dieser Stelle) über den packenden, motivierenden und optimistischen Schreibstil Harald Welzers geschrieben worden, der die Lesenden unermüdlich zum Selbst-Denken und Selbst-Handeln aufruft. Nun liegt mit seinem „Nachruf auf mich selbst“ seine jüngste und vielleicht auch persönlichste Veröffentlichung vor.

Der Titel ist bewusst gewählt, wofür es einen ganz konkreten Anlass gab. Denn der Autor erlitt am 22. April 2020 einen Herzinfarkt, den er wahrscheinlich nur wegen des beherzten (!) Eingreifens einer Kardiologin und einer schnellen Einweisung in die Notaufnahme so gut überlebt und überstanden hat. Diese plötzliche Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit — das hört und liest man immer wieder — hat wohl auch bei Harald Welzer zu einem verstärkten Nachdenken über das eigene Leben und Wirken geführt.


Bruno Preisendörfer: „Als Deutschland erstmals einig wurde — Reise in die Bismarckzeit“

Man liest: „Der letzte Band …“ und denkt: schade, denn man könnte und würde so gerne noch weiterlesen in dieser deutschen Geschichte, die Preisendörfer immer und zuallererst als eine Geschichte der Deutschen erzählt. Alle seine Bücher, vor allem jedoch diejenigen, welche sich historischen Themen widmen, lesen sich nicht nur wunderbar und flott weg, sondern laden den Lesenden ein auf eine Zeitreise.

Der Autor versteht es immer wieder, den Leser zu begeistern und ihn auf den äußerst bequemen Sitz seiner Zeitmaschine einzuladen.